Antwort auf den Leserbrief von NR Beat Jans im Schweizer Bauer vom 30. Mai, S. 3
Beat Jans erläutert in seiner Leserbriefantwort die Schwächen der alten Agrarpolitik der Preissubventionierung vor der Agrarreform von 2002. Da sind er und die SVIL absolut gleicher Meinung. Prof. Hans Christoph Binswanger (heute auch im Vorstand der SVIL) hat schon in den frühen siebziger Jahren vorgeschlagen, das bäuerliche Einkommen nicht mehr über die Produktepreise zu stützen, sondern mit produktionsunabhängigen, direkten Zahlungen zu sichern. Die AP 2002 hat dieses Konzept übernommen. Wenn die SVIL die AP 14-17 kritisiert, so deshalb, weil mit dieser das Direktzahlungskonzept der AP 2002 geschwächt und zweckentfremdet wurde: Solange die Marktmacht der Bauern nicht gegenüber den Verarbeitern/Verteilern im Sinne der gleich langen Spiesse gestärkt wird und die produzierende Landwirtschaft sogar durch neue Aufgaben ausserhalb der Produktion, aber aus dem gleichen Budget, zumindest gehemmt wird, darf nach Ansicht des SVIL-Vorstandes das bisherige Direktzahlungskonzept nicht preisgegeben werden. Die Behauptung, die SVIL bezwecke mit ihrer Kritik an der AP 14-17 zur alten Subventionspolitik der Preissubventionierung vor Einführung der Direktzahlungen zurückzukehren, ist daher gerade umgekehrt.
Zu den Tierbeiträgen:
Die Tierbeiträge waren ein wichtiger Teil der Direktzahlungen. Sie wurden aus guten Gründen nur an Raufutterverzehrer ausgerichtet. Die Behauptung, die Direktzahlungen an Raufutterverzehrer hätten zu einem Tierüberbestand geführt, wird durch die abnehmende Kuhzahl nicht bestätigt. Um dennoch die Tierbeiträge weiterhin attackieren zu können, haben die Befürworter der AP 14-17 auch die futtermittelabhängige Schweine- und Geflügelmast ins Feld geführt. Und genau so wurde auch im Parlament informiert, die Tierbeiträge würden der Intensivtierhaltung Tür und Tor öffnen. Dabei ist ja gerade über die Raufutterverzehrer die Flächenbindung artgemäss gesichert. Die Agrarpolitik hätte mit sehr wenig Aufwand die Graslandbasierung beim Rindfleisch noch verstärken können, wie man das jetzt ja auch von Seiten Weidebeef vorschlägt. Wegen den einzig erwähnten Ökowiesen in der Bergzone III muss nicht der Milchwirtschaft schweizweit das Einkommen gekürzt werden. Das ist unsere Kritik.
Zudem: Die WDZ und die AP 14-17 sind in sich ein kaum je diskutierter Paradigmenwechsel. Die produktionsfreie Einkommenszahlung — eben Direktzahlungen — werden massiv einschränkt und wieder zu einem Leistungsentgelt umfunktionieret. Die Produkte, die so durch die WDZ subventioniert werden, sind nicht mehr Lebensmittel sondern Pflegeleistungen — also Nichtlebensmittel. Die Direktzahlungen werden damit als reines Leistungsentgelt für Pflegeleistungen zweckentfremdet. Resultat: Der Einkommensausgleich für die tiefpreisige Lebensmittelproduktion ist deutlich gesunken. Wenn also die so eingesparten Direktzahlungen für zusätzliche Pflegeleistungen ausgegeben werden, dann ist das kein Ausgleich für verlorenes Einkommen sondern Entgelt für eine zusätzlich geforderte Leistung. Damit wird das Konzept der Direktzahlungen, nämlich durch direkte Einkommensstützung den Erhalt der lebensmittelproduzierende Landwirtschaft bei nicht kostendeckenden Produktepreisen zu sichern, wieder zu einer Subventionierung, gebunden an Produkte, umfunktioniert.
Zum Vorwurf, die SVIL habe versagt, nachhaltige Lösungsansätze vorzubringen:
Wir haben seit 1997 Vorschläge gemacht, dass die bäuerlichen Produzenten nach der Aufhebung der staatlichen Marktordnungen eigene Verkaufs- und Vermarktungsorgane bekommen müssen. Dadurch hätte die Landwirtschat gegenüber den Verarbeitern/Verteilern wieder mehr Marktmacht bekommen. Das sollte auch den Ausstieg aus der Tretmühle der preisdrückenden gegenseitigen Konkurrenzierung der Produzenten ermöglichen. Die Produzenten wären dadurch in der Lage, endlich Marketing mit den Argumenten aus Feld und Stall selbst betreiben zu können und die Konsumenten selbst über das Preis-Leistungsverhältnis aufzuklären. Das haben wir auch 2002 an der Expoagricole vorgestellt. Entsprechende Forderungen hat die SVIL auch anlässlich der Vernehmlassung zur AP 14-17 vorgeschlagen. Das waren die Lösungsansätze der SVIL, und nie der Ruf nach staatlicher Preisstützung, wie Beat Jans behauptet.
Dann aber regten sich die Gegner. COOP sagte, der Ladentisch gehöre immer noch dem COOP und nicht den Bauern. Bio- und IP-Suisse waren nicht erfreut, weil sie ihr eigenes Label/Marke verkaufen wollten. Und die Bauern selbst waren skeptisch, weil sie sich verständlicherweise ausserstande fühlten, einen solchen Machtwechsel durchzukämpfen, mit dem Risiko bei den Grossverteilern noch mehr unter die Räder zu kommen. Das wäre nur realisierbar gewesen, wenn der Staat, der die Landwirtschaft seinerzeit in die staatlichen Marktordnungen hineingezwungen hatte, nun so fair gewesen wäre, der Landwirtschaft mit einer Art Reparationszahlung zum Wiederaufbau verlorener genossenschaftlicher Marktstrukturen Schutz vor der Übermacht der Verarbeiter/Verteiler zu gewähren. Aber anstatt dass die Kartellkommission die Übermacht der Verarbeiter/Verteiler zum Anlass genommen hätte, den Bauern gleich lange Spiesse zuzugestehen, drohte sie den Bauern, Produzentengemeinschaften als Verstoss gegen das Kartellrecht zu ahnden. Das Resultat dieser Splitterung in die zahllosen Produzentengemeinschaften sehen wir bei der Milch.
Die heutige „Qualitätscharta“ will alle von der Scholle bis zum Verkaufsregal unter einen Hut bringen. Damit sollten die erwähnten Konflikte zwischen Landwirtschaft und Industrie beseitigt werden. Aber man kann eben nicht Dinge zusammenzwingen, die derart unterschiedlichen Geschäftslogiken folgen müssen.
Ernährungssicherheit in einer unsicheren Welt:
Die SVIL wurde gegründet, damit die Versorgungssicherheit durch eine eigene Landwirtschaft erhalten bleibt. Das führt nicht zu anderen Zielen, aber zu anderen Prioritäten, als sie z.B. von Pro Natura gesetzt werden. Wenn die Welt derart im Konflikt um die Ressourcen steht (und The Great Transformation ist noch nicht abgeschlossen), dann kommt Ernährungssicherheit auf einen Zeitraum von 50 Jahren u.E. vor dem Postulat der Nachhaltigkeit vom Peripherieraum der Agglo-Schweiz. Wir müssen deshalb gewisse Extensivierungsvorstellungen relativieren, welche nur auf die Symptome losgehen und die Ursachen ausser Acht lassen. Die Ernährungssicherheit ist notabene ja ein grundlegender Teil des sozialen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeitsgedankens.
Die SVIL, 1918 von Industriellen gegründet, setzt sich ein für die Ernährungssicherheit und damit für eine produzierende und stets produktionsbereite einheimische Landwirtschaft. Dies leitet sich aus der Erfahrung seit der Hungerkrise von 1918 ab, dass die freie Marktwirtschaft nicht zur ausreichenden Versorgung mit öffentlichen Gütern wie einer sicheren Ernährung führt. Im Gegensatz zur Systemtheorie unterschiedet die herrschende Wachstumspolitik nicht zwischen Industrie und Landwirtschaft und will beide mit denselben Rezepten steuern. Die Umweltschäden gehen auf das Konto dieser Gleichsetzung. Und die Bauern sind gezwungen diesen Konflikt in der Produktion an der Naturgrundlage austragen zu müssen.
Deshalb rufen wir dazu auf, gemeinsam die Ursachen anzugehen und nicht mit Blumenwiesen nur Symptome zu bekämpfen.
Hans Bieri, Geschäftsführer
Schweizerische Vereinigung
Industrie und Landwirtschaft
SVIL





