Mehr als sonst wurde in letzter Zeit die Pressefreiheit und auch Pressemissbrauch für Propagandazwecke diskutiert.
Wenn in einer renommierten Schweizer Tageszeitung zur Schocktherapie gegen einen Berufsstand aufgerufen wird, dann stellt sich die Frage der dahinter stehenden Interessen und Abhängigkeiten.
Der Artikel „Warum der Freihandel den Bauern hilft“, erschienen in der Berner Zeitung, im Tages Anzeiger, und im Landboten, basiert sich auf eine einzige Quelle, und zwar auf das World Trade Institute, “one of the world’s leading academic institutions dedicated to the regulation of international trade” (1). Der Artikel wäre wohl zu lang geworden, hätte man versucht, ausgeglichener zu informieren. Oder aber es war die Absicht, den vom Bundesrat geforderten „Zugang zu internationalen Agrarmärkten“ wissenschaftlich zu belegen. Das Institute ist ja der Universität Bern angegliedert. Dann ist es kaum Zufall, dass auf der gleichen Seite auch BWL-Direktor Bernhard Lehmann zu Wort kommt und ein Ende vom “Dogma des Protektionismus” fordert.
Zur Ergänzung dieser tendenziösen Berichterstattung hiernach 2 Leserbriefe, deren Autoren das im und neben dem Artikel geschriebene differenzierter sehen und die Initiative für Ernährungssouveränität unterstützen.
Wir freuen uns auch, dass am 2.2.15 an der gleichen Stelle ein Interview mit Mathias Binswanger veröffentlicht wurde und somit – wenn auch ein bisschen zeitverschoben – auch eine andere Perspektive beleuchtet wurde! >>>
Abschottung bringt keinen Reichtum
Leserbrief von Hans Bieri, Schweizerische Vereinigung Industrie und Landwirtschaft SVIL, LB vom 28. Januar 2015, S. 26 f.
Wenn es tatsächlich so wäre, wie das World Trade Insitute (WTI) behauptet, dass wir in der Schweiz hohe Preise und Löhne wegen der Abschottung haben, dann würde ich doch allen armen Ländern empfehlen, sich einfach abzuschotten, weil man dadurch zu Reichtum kommt.
Das Problem liegt doch vielmehr darin, dass sehr produktive Länder wie die Schweiz mit starkem Export, positiver Handelsbilanz unter übermässigem Kapitalzufluss „leiden“. Das erhöht das Preisniveau in diesen Ländern. Aus ähnlichen Gründen sind die Preise in den Städten generell höher als auf dem abgelegenen Land, ohne dass sich die Städte „abgeschottet“ haben.
Weiter sagt das WTI, der Grenzschutz der Landwirtschaft der Schweiz müsse beseitigt werden. Nur so könne die Schweizer Landwirtschaft effizienter werden und ohne Grenzschutz in Zukunft bestehen können. Dabei ist es doch so, dass die Schweizer Milchbauern bald zu EU-Preisen produzieren, jedoch viel höhere Lohnkosten und Pachtzinse als in der EU bezahlen müssen. Das heisst doch, die Schweizer Milchbauern produzieren die im Preis teurere Milch trotzdem effizienter als die EU-Milchbauern mit ihren grösseren Strukturen. Wie können also die Ökonomen des WTI der Schweizer Landwirtschaft im Ernst fehlende Effizienz vorwerfen?
Weiter sagt das WTI, es sei kein Problem, die Bauern mehr als bisher wegzurationalisieren, weil dabei das Landwirtschaftsland ja erhalten und so die Ernährung gesichert bleibe. Mit Verlaub, hätte das WTI nicht auf diesen Zusammenhang hingewiesen, ich hätte das glatt übersehen. Nur, das Landwirtschaftland, auch wenn es nicht überbaut würde, so muss es zuerst bewirtschaftet werden, bevor geerntet werden kann.
Alles kommt aus dem Boden und aus unserem Dialog mit der Natur.
Als vor 25 Jahren die OECD diese Reformthesen erstmals breit verkündete, habe ich einem Ökonomieprofessor der Universität Zürich aufgezeigt, dass die von ihm behaupteten Effizienzreserven in der Schweizer Landwirtschaft nur auf Kosten der Ökologie zu haben seien. Beispiel: Wenn man aus Effizienzgründen die Felder zu grösseren Bewirtschaftungseinheiten zusammenlegt, so nimmt bei Starkniederschlägen oder schon bei geringen Hangneigungen die Bodenerosion zu, was auf die Dauer die Produktionsgrundlage auf Kosten unserer Nachkommen zerstört. Der Professor erwiderte, dass er mir in diesem speziellen Fall — weil er nicht anders konnte — durchaus Recht gebe. Ich erwiderte, dass, wenn er diesen Zusammenhang begriffen habe, ich ihm hundert weitere Fälle — wie die Effizienz lediglich auf Kosten der Gesundheit und der Ökologie geht —vorlegen könne. (z.B. Antibiotika als Folge stets steigender Herdengrössen…) Daraufhin wurde er sichtlich gereizt, verschüttete den Kaffee, wurde dadurch noch ärgerlicher und unterhielt sich mit meinem Begleiter nur noch über die Börse.
Das ist die Situation der Auseinandersetzung bzw. der vielbeschworenen ¨Öffnung“ von 1989, in der wir uns befinden: Während der Freihandel beschworen wird, sind die Handelskriege längst durch die Währungskriege ersetzt worden und die Währungszonen mutieren immer deutlicher zu global abgesteckten militärischen Interventionszonen in der Auseinandersetzung um die immer räuberischer bewirtschaftete Naturgrundlage.
Warum wir Bäuerinnen nicht von Herrn Häberli befreit werden wollen.
von Ulrike Minkner, 2610 Mont-Soleil, Bäuerin, Vizepräsidentin Uniterre
Herr Häberli fährt schön im Spüerli, rollt hier den Teppich für Herrn Schneider-Amman aus, singt das Hohe Lied des Freihandels und will doch tatsächlich uns Bäuerinnen – oder waren doch nur die Bauern gemeint? – mit einer Schocktherapie befreien. Vielen Dank, lieber nicht.
Chr. Häberli spricht das TTIP-Abkommen an. Die Schweiz will als Drittstaat mitverhandeln, die Anfrage steht. Sollte das Abkommen zu Stande kommen, kommen natürlich nicht nur die Ernährung und die Landwirtschaft unter Druck. Also ist das Gerede über die Landwirtschaft, die Bauern, die Direktzahlungen, nur ein gekonntes Ablenkungsmanöver. Aber bleiben wir beim Thema Landwirtschaft und Ernährung. Nach Chr. Häberli braucht es weniger Betriebe, grössere Betriebe, industriell aufgestellte Betriebe also.
Ein Vergleich: Die durchschnittliche landwirtschaftliche Nutzfläche pro Betrieb lag in der Schweiz im Jahr 2013 noch unter 20 ha. In den USA lag der Durchschnitt im Jahr 2012 bei 175 Hektaren (Quelle: Agrarheute.com). Wunderbar.
Auch mit einer massiven Strukturbereinigung, sprich Höfeschwund, haben wir auf dem Weltmarkt keine Chancen, auch wenn Herr Häberli dies offensichtlich meint. Er wird zitiert: „denn Landwirtschaft könne in der Schweiz sehr wohl international konkurrenzfähig betrieben werden.“ Ich halte dies für puren Nonsens. Industriell aufgestellte Betreibe, so wie sie sich Chr. Häberli wünscht, produzieren überall auf der Welt die gleichen Produkte, standardisiert und nicht unterscheidbar. Die Agrarrohstoffe werden zur Standardware auf dem Weltmarkt und somit zum Spielball im sogenannt freien Markt und an den Börsen. Super. Chr. Häberlis Rezepte sind uralt. Nichts Neues in Sicht. Diese Rezepte kann man wiederholen und wiederholen, sie werden nicht besser.
Wer heute noch Wirtschaftsliberalismus als Lösung zum Thema Ernährung hervorholt, ist wahrscheinlich im Mittelalter hängen geblieben. Zum bilateralen Abkommen der Schweiz mit China meinte sogar herr Häberli gegenüber dem Tagesanzeiger (25.5.2013) „unser Land ist ein kleiner Fisch für China.“ Soweit zum Thema Konkurrenzfähigkeit.
Wir wissen, dass wir nur einen Planet haben und den gilt es vor diesem Raubrittertum, hier und anderswo, zu schützen. Machen wir es doch ganz anders. Wir lehnen den Freihandel (wie TTIP, TISA, Bilaterale & Co) ab, weil bei diesem Wachstumswahn alles unter die Räder kommt So sollen nicht nur Landwirtschaft oder Industrie liberalisiert und privatisiert werden, sondern alle Gemeingüter wie Strom, Wasser, Spitäler, Schulen, soziale Einrichtungen, Dienstleistungen, Umweltauflagen, der gesamte Service public, sogar Gesetze sollen transatlantisch aufeinander abgestimmt werden. Nicht nur wir Bäuerinnen wehren uns gegen diesen Ausverkauf von Natur, Umwelt und Gesellschaft. Immer mehr Menschen stellen den Kurs des Bundesrates Schneider-Ammann in Frage. Auch UNO-Organisationen und Weltbank geben inzwischen freimütig zu, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich seit Einführung der WTO weiter aufgetan hat. Es geht beim Freihandel bei Weitem nicht um uns Bäuerinnen und Bauern. Und es geht auch nicht um die Interessen der Bevölkerung, sondern einzig um die Gewinne der Konzerne, demokratische Rechte werden ausgehebelt.
Die Liberalisierung und Industrialisierung in der Landwirtschaft sind nicht die Lösung, sondern das Problem. Es braucht offensichtlich noch mehr Lebensmittelskandale (z.B. Multiresistente Keime, Hormonfleisch, Tierquälerei, Verseuchung durch Gentechnik etc.), um zu bergreifen, dass Ernährung etwas mit Leben, mit Lebewesen und mit der Natur zu tun hat. Die Schweizer Landwirtschaft kann vieles, z.B. Milch, Käse, Fleisch, Gemüse, Getreide, Wein und Obst produzieren. Wir können den Wünschen der Bevölkerung nach gesunden Produkten, umwelt- und tierschonend hergestellt, nachkommen. Was wir nicht können, ist qualitativ hochstehende Lebensmittel zu Weltmarktpreisen herstellen, wer das behauptet, betreibt Augenwischerei.
Initiative für Ernährungssouveränität
Die Landwirtschaft betrifft uns alle. Um mehr über die Initiative zu erfahren und auch um Unterschriftenbogen herunterzuladen, klicken Sie auf das Bild:


