Wieviel Gülle gelangt im gesamten Land auf unsere Wiesen und Felder? Auf einer Hektare (10’000 Quadratmeter) werden pro Düngung etwa 20 bis 30 Kubikmeter Dünger ausgeschüttet. Wiesland wird drei- bis fünfmal jährlich, Ackerland ein- bis zweimal gedüngt. Eine Kuh produziert durchschnittlich 23 Kubikmeter Gülle, ein Schwein zwei Kubikmeter pro Jahr. Bei je rund anderthalb Millionen Rindviechern und Schweinen (Stand 2013) könnte man diese Menge ungefähr ausrechnen und käme dabei auf ganz schön viel. (1)
Darunter leiden Gewässer und Fische. Deshalb hat der Bund jetzt beschlossen, dass bis 2018 auf einer Fläche von 20’000 Hektaren die Bautätigkeit und die landwirtschaftliche Nutzung eingeschränkt werden muss. (2)
BAFU – Landwirtschaft und Gewässesrschutz
Leserbrief von Ernst Frischknecht, Eichholzstr. 2, 8632 Tann
Gegenwärtig versucht der Bund die Abstände zwischen Ackerland und Gewässern auszudehnen und neu festzulegen. Er stösst dabei auf starken Widerstand der Bauern und ihrem SBV. Wer sich unvoreingenommen dem Thema annimmt stösst auf Widersprüche. Mit dem erweiterten Abstand sollen ja das Wasser und die Fische vor negativen Emissionen der Intensiv-Landwirtschaft wie Nitrat und Pestiziden geschützt werden. Ist denn die Landwirtschaft nicht, wie von offizieller Seite behauptet, ökologischer und naturnaher geworden? Oder sind Wasser und Fische die einzigen, die vor unerwünschten Fremdstoffen geschützt werden müssen?

Auf der Titelseite des SonntagsBlick erschien ein Bericht, dass Tests an Rekruten eine beängstigende Abnahme der Fruchtbarkeit männlicher Spermien ergeben hat. In der Sendung Puls SRF wurde gezeigt, dass tausende von Ehepaaren nur noch durch Invitro-Fertilisation Kinder bekommen können, weil die männlichen Samenfäden zu schwach seien um den Eierstock zu erreichen. Diese Erkenntnis ist aber keinesfalls neu. Als vor mehr als 50 Jahren das Verbot, während der Vegetationsperiode Kunstdünger auf Grasland auszubringen aufgehoben wurde, stieg der Stickstoffverbrauch auf das Siebenfache an. Die in der gleichen Zeit aufgekommene Vollgülle (Kot und Harn gemischt) führte zu fast ausschliesslich zu wasserlöslichem Ammoniak, statt organisch gebundenem Stickstoff im Mist. Ähnlich stark stieg der Verbrauch im Ackerbau, um die hohen Glutengehalte bei Weizen zu erreichen. In den 60er Jahren bewiesen Forschungen von Ähnelt und Hahn, dass Kaninchen und Ratten bei stickstoffgedüngtem Futter ab der dritten und vierten Generation unfruchtbar wurden. Eine Studie des Instituts für angewandte Ökologie, DE bestätigte diese Erkenntnis 1982 und ergänzte, dass auch die weibliche Fruchtbarkeit stark abnehme. Prof. Bakels von der Besamungsstation Ülzen bestätigte das in einem breit angelegten Versuch. Weniger wasserlöslicher Stickstoff in der Landwirtschaft könnte also nicht nur für Fische, sondern auch für Menschen ein Glücksfall bedeuten.
Geht man davon aus, dass sogar viele Pilzkrankheiten an Pflanzen verschwinden, wenn nur noch organisch gebundener Stickstoff vorkommt, der weder als Ammoniak oder Lachgas in die Luft entweicht noch vom Wasser in Grundwasser und Bäche ausgewaschen wird, so staunt man, dass das Problem nicht längst grundsätzlicher angegangen wird. Seit 30 Jahren wehren sich das Bundesamt für Landwirtschaft und der SBV gegen die Forderung einer Stickstoffbesteuerung, durch die die negativen Nebeneffekte erst einmal bewusst würden. Bei der gegenwärtigen Energie-Debatte sollte die Produktion von künstlichem Stickstoff neu beurteilt werden, weil er nicht nur vom Energieverbrauch sondern auch von seiner negativen ökologischen Wirkung blanken Unsinn bedeutet. So wie DDT und Atrazin nach langem, verheerend wirkendem Einsatz verboten wurden, so werden auch Glyphosat, Antibiotika und wasserlöslicher Stickstoff einmal verboten wereden, denn alle diese Stoffe gelangen auch bei grösseren Abständen ins Wasser.
In unzähligen internationalen Tagungen und Studien wurde eine Reduzierung des Stickstoffs verlangt. Es ist nur die Frage, wie viele solcher Studien es noch braucht, bis auch die Agrarlobby und der Bundesrat begreift, dass das Gegenteil von Gut ist nicht böse ist – sondern gut gemeint. Sie meinen es gut, wenn sie die Bauern vor wirklicher Ökologisierung schützen wollen. Aber sie verhindern damit den Bauern die Befreiung zu einer volkswirtschaftlich ökonomisch dringenden Vorwärtsstrategie.
Produzierende Landwirtschaft heisst, den aus Verkehr und Verbrennungsprozessen in der Luft angereicherten Stickstoff durch angepasste Bewirtschaftung für die Gesellschaft zu entsorgen und organisch gebunden zur Produktion zu nutzen. Statt Kosten und Ärger gäbe es den Bauern gratis Dünger und gesellschaftliche Anerkennung. Nur Bachabstände erweitern befasst sich mit dem Symptom eines weltweiten Problems, das damit nicht gelöst, sondern vielleicht sogar verschärft wird.



