
Ich stehe im Supermarkt und habe die Wahl: Soll ich lieber Bio kaufen oder lieber „Aus der Region“, soll ich ein fairtrade Joghurt nehmen, oder doch den Saisonjoghurt? Ich stehe vor den Regalen und muss dauernd entscheiden. Entscheide ich mich richtig? Ist das eine wirkliche Wahl oder eine richtige Qual?
Wie viel fairtrade steckt in einem Schoggi-Joghurt? Wie viel bio im Knoblauch aus China? Wie viel Region in der Tomate? Wie steht es mit den Bio-Eiern? Woher kam das Futter für die Hühner? Durfte das Naturaplan-Schwein je in der Erde buddeln? Es ist ein Kreuz mit diesen Entscheidungen.
Aber der Kunde ist ja König – und mit unseren Entscheidungen bestimmen wir mit, ob noch mehr Regenwald für Palmöl abgeholzt wird oder wie viel Soja in Monokultur angebaut wird. Wir bestimmen mit unserem Einkauf, was in die Regale kommt. Wenn ich die Erdbeeren aus Almeria im Winter im Gestell lasse – und niemand diese Erdbeeren kaufen würde – ja dann werden sie auch nicht mehr im Gestell landen. So einfach ist das, der Kunde ist König, das wird uns wenigstens immer suggeriert.
Ich fühle mich aber einfach so gar nicht als Königin, wenn ich den Supermarkt betrete, im Gegenteil, ich fühle mich eher als Konsumsklavin. Es fängt bei der Reizüberflutung an, mit Gerüchen, Farben, Verpackungen, Werbung und wenn ich dann die Wahl zwischen circa 50 verschiedenen Joghurts (oder mehr!) habe und eines aussuchen soll – kommt Unbehagen auf. Die Königin sollte sich halt vorher informieren, die Etiketten im Detail studieren und sich schlau machen, mehr Wissen hilft bekanntlich bei den Entscheidungen.
In der Handelszeitung vom 6.3.2013 werde ich fündig und werde informiert: Künftig solle es möglich sein, bloss einzelne Rohstoffe wie Kakao oder Zucker zu zertifizieren und diese zusammen mit konventionellen, also nicht fair gehandelten Inhaltsstoffen, zu mischen und zu verarbeiten. Auch solche, nur teilweise fairen Produkte, würden von den Frairtrade-Organisationen ab jetzt gelabelt.
Im gleichen Bericht wurden von Fred Lauener von der Max-Havelaar-Stiftung die Recherchen der „Handelszeitung“ bestätigt und er begründete den Kurswechsel damit, dass die Bauern in den Entwicklungsländern ihre Verkäufe steigern müssten, denn man müsse raus aus den Nischen in die Massenmärkte. Den Satz muss ich mir erst mal auf der Zunge zergehen lassen.
Wow! Da halte ich also ein Massenmarkt-Joghurt mit dem Anteil von 2% Schoggi und viel Zucker in der Hand und es ist mit dem Fairtraide-Label ausgelobt. Und die Volllmilch, der Hauptanteil dieses Joghurts, wurde zum Spottpreis in der Schweiz eingekauft. Ich lege das Joghurt zurück ins Kühlregal. Das ist Bschiss!
Aha – jetzt bin ich zwar schlauer, stehe immer noch vor den Joghurts. Ich greife nach dem Saison-Joghurt und bin erstaunt, dass im Mai die Kirschen schon reif sind … da ist doch auch wieder der Wurm drin …
Bezug:
- Artikel in der Handelszeitung: “Max Havelaar bricht mit Fairtrade”
- Fairtrade-Label: Was unterscheidet Produkt-Label und Programm-Label?

