Nachhaltigkeit – was ist das eigentlich?
Das Schlagwort wird heute überall gerne gebraucht, weil es so gut tönt. Doch erfunden wurde der Begriff schon vor mehreren hundert Jahren von Carl von Carlowitz im Zusammenhang mit der Forstwirtschaft. Angesichts einer drohenden Rohstoffkrise erkannte er erstmals das Problem: Es darf nicht mehr von etwas verbraucht werden, als vorhanden ist um die Grundlage für zukünftige Generationen aufrechtzuerhalten. (1) – Ein Satz, bei dem wohl jedem bewusst wird, auf was wir unweigerlich zusteuern.
Nachhaltigeit bewegt politisch und ökonomisch.
Wir alle bemühen uns also, ein nachhaltigeres Leben zu führen, um den Planeten zu retten, denn das legen uns zahlreiche Meldungen und Kampagnen nahe, gestützt auf die an der Rio-Konferenz 1992 verabschiedete Agenda 21 und die UN-Milleniumentwicklungsziele. Dabei helfen uns Apps für nachhaltiges Einkaufen, Footprint-Rechner und Marktchecks z.B. von Greenpeace. Nachhaltiger zu werden – das gehört heute einfach dazu, auch wenn viele der Labels nicht das halten, was sie versprechen (2). Nachhaltigkeit wird belohnt, z.B. mit dem Schweizer Nachhaltigkeitspreis – prix eco.ch, der an Personen und Organisationen vergeben wird, die mit ihren herausragenden Leistungen zu einer nachhaltigen Entwicklung in der Schweiz beitragen, oder dem Next Economy Award für Startups, die mit innovativen Ideen für soziale und ökologische Verbesserungen sorgen.
Das eco.festival ist der schweizweit grösste Anlass für Nachhaltigkeit und findet jährlich statt, in diesem Jahr vom Freitag, 27. Mai bis Sonntag, 29. Mai 2016 in Basel. Und dann geht’s nahtlos weiter mit der Europäischen Nachhaltigkeits-Woche vom 30. Mai bis 5. Juni mit vielen Aktivitäten, Projekten und Veranstaltungen, die zu nachhaltiger Entwicklung beitragen.
Doch ist das alles nicht bloss Utopie? Denn jetzt kommt’s:
Nachhaltige Entwicklung ist unmöglich.
Die Steigerung nachhaltiger ist laut Nicole Werner nichts als ein gern gebrauchter Euphemismus:
«Nachhaltigere Produktion» kann also allenfalls bedeuten, dass mit ihr die Ressourcen nicht etwa in achtzig, sondern erst in hundert Jahren ausgehen […]
Nach den Gesetzen der Physik, der Biologie und der Chemie kann nichts und niemand unendlich wachsen. Die Begriffsschöpfung «nachhaltige Entwicklung» ist darum ein Paradox und der Inbegriff der politischen Verschleierung. Sie setzt sich fort im Gerede von «Grüner Wirtschaft», welche klassische Ökonomie und Ökologie miteinander versöhnen soll. Die sprachliche Schönfärberei täuscht darüber hinweg, dass der grenzenlose Kapitalismus als eigentliche Ursache der nicht-nachhaltigen Entwicklung bis heute nicht zur Disposition steht. Wenn wir die Probleme der Übernutzung der natürlichen Ressourcen, des Klimawandels sowie des Biodiversitätsverlusts konkret angehen wollen, müssen wir Tacheles reden: Endloses Wirtschaftswachstum als Selbstzweck ist mit Nachhaltigkeit nicht vereinbar.” (3)
Nachhaltigkeit versus Wirtschaftswachstum.
Wenn Wachstum Probleme verursacht und hohe Wachstumsraten für die Zukunft ohnehin nicht zu erwarten sind, stellt sich die Frage, ob ein „gutes Leben“ auch ohne Wachstum möglich ist. Im Grunde geht es dabei um eine Rückbesinnung auf menschliche Werte und Bedürfnisse. International gibt es heute bereits viele Bewegungen, die versuchen, konkrete Alternativen zum gegenwärtigen Wachstumsparadigma zu entwickeln: von genossenschaftlich-organisierten Zusammenschlüssen über regionale Direktvermarkter und Komplementärwährungen bis hin zur Gemeinwohl-Ökonomie (4) und Wohlstand ohne Wachstum (5).
Es braucht also ganz andere Konsummuster, oder besser gesagt, eine Abkehr vom Konsum, wie er heute bei uns als “normal” gilt. Produktion und Konsumation müssten wieder näher zusammenrücken, zum Beispiel durch Anpassung der Produktion an die Kunden für (fast)Direktverkauf mit korrekten Margen. Nicht noch mehr Internationalen Handel und noch mehr Globalisierung, was dazu beiträgt, die Umweltbelastung in andere Länder auszulagern (60 % der Schweizer Umweltbelastung für Konsum und Produktion fallen im Ausland an). Nicht noch mehr Wachstumszwang mit daraus folgenden Turbulenzen, Marktübersättigung, Konkurrenzkampf und Ungleichgewichten in Finanzsystem und Preisentwicklung – sondern neue Lösungsperspektiven und Grundwerte, welche zu einer nachhaltigen, sinnvollen Wirtschaft und zu einer besseren Lebensqualität zum Nutzen Aller führt.
Nachhaltige Zukunft oder gar keine Zukunft?
Und es gibt sie, diese Menschen und Gemeinschaften, die anders denken und bereits einiges bewirken: VertreterInnen von Postwachstums-, Steady-State- oder Degrowth-Ideen rufen zur Abkehr von sinnleerem und ressourcenverschwendendem Konsum auf und betonen die Vorzüge von einem suffizienten Leben. Das Lexikon der Nachhaltigkeit liefert eine Übersicht.
60 % der jungen Generation zwischen 15 und 24 befürworten nachhaltige Werte wie den Schutz der Umwelt, zukunftsorientiertes Wirtschaften und soziale Gerechtigkeit. Zu diesem Ergebnis kommt das zweite repräsentative „Nachhaltigkeitsbarometer“ der Leuphana Universität Lüneburg im Auftrag von Greenpeace. Umweltbewusstes Handeln im Haushalt wie Energiesparen und Mülltrennung ist für viele selbstverständlich. (6) Besteht also doch noch Hoffnung, dass die Welt nachhaltiger wird?

Wer sich eingehender mit dem komplexen Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen möchte, hat dazu aktuell viele gute Gelegenheiten:
eco.festival vom 27. –29. Mai 2016 in Basel
Europäische Nachhaltigkeits-Woche vom 30. Mai – 5. Juni 2016
Hoffest auf dem Hof am Wald mit Vortrag über Regionalwert AG am 27. August 2016
1. Öffentlicher Schweizer Wirtschaftsgipfel – Nachhaltigkeit für Alle am 17. September 2016 im Kultur- und Kongresszentrum Aarau
Weiterführende Links:
In diesem Video wird Nachhaltigkeit auf einfache, witzige und kritische Weise erklärt:
- Lexikon der Nachhaltigkeit
- Eine Sammlung von Messen zum Thema Nachhaltigkeit findet man auf Utopia.de.
Bücher und Artikel
- Zwischen Fairtrade und Profit geht der Frage nach den ökonomischen Machtverhältnissen und der demokratischen Mitsprache nach. Anhand gelungener Projekte wird zudem aufgezeigt, dass mehr Demokratie in Politik und Wirtschaft mithilft, mehr Gerechtigkeit im Agrarhandel zu erwirken.
- Regionalwert AG: Mit Bürgeraktien die regionale Ökonomie stärken. Ein Handbuch mit praktischen Hinweisen zu Gründung, Beteiligung und Umsetzung
- (3): Artikel von Nicole Werner im Wendekreis (November 2014): Ökologische Nachhaltigkeit gibt es nicht
- Artikel von Nicole Werner, erschienen im forum (März 2014), S. 12: Zukunftsfähig durch globales Gleichgewicht
Und zum Schluss noch was zum Schmunzeln zum Thema “alles kommt auf uns zurück”:


