
Wir hatten viel gelernt, damals, in der Hotelfachschule. Nicht nur Kochen und Wein degustieren, nebst vielem anderen auch Rechnen. Denn die Waren- und Personalkosten im Gastgewerbe waren schon vor 30 Jahren viel höher als z.B. in der Industrie.
Auch das Angebot ist schwer vergleichbar: Eine Schraube wird auf Vorrat gemacht und später verkauft. Aber ein Platz im Restaurant, der heute nicht besetzt wird, kann morgen nicht einfach doppelt angeboten werden, um den heute verpassten Verkauf nachzuholen. Und frische Lebensmittel müssen innert einer bestimmten Frist verkauft werden – sonst werden sie zu foodwaste. Kaum thematisiert wird auch die Standortabhängigkeit: während ein industrielles Produkt fast überall auf der Welt produziert und verkauft werden kann, ist ein Restaurant an eine bestimmte Lage in einem bestimmten Umfeld gebunden, so wie eine natürliche Lebensmittelproduktion eine dafür geeignete Erde und ein passendes Klima braucht.
Man redet von Qualität, Swissness und Innovation um höhere Umsätze zu erzielen. Wäre es eventuell auch möglich, die Produktion zu optimieren, um grössere Margen, weniger Abfall und mehr zufriedene Kunden zu generieren? Viele Industriebetriebe sind ISO 9000 zertifiziert und setzen auf Kundenzufriedenheit, klar strukturierte und zusammenhängende Arbeitsabläufe, aktives Lieferanten- und Kundenmanagement und kontinuierliche Verbesserung. (1)
Was, wenn man die ganze Lebensmittelwertschöpfungskette als ein Qualitätssystem betrachtet, als einen lebendigen Kreislauf vom Acker bis auf den Teller? Mit zusammenhängenden Arbeitsabläufen und aktiven Beziehungen zwischen den verschiedenen Teilnehmern und der Kundenzufriedenheit an oberster Stelle – wobei die gleiche Person sowohl Kunde als auch Lieferant sein kann? Die Lebensmittelkette als klar strukturierter Prozess mit Landwirt und Gastwirt als Partner? Wo würden sinnvollerweise die Schwerpunkte gesetzt? Ich habe die Frage an unserer Klassenzusammenkunft in die Runde geworfen.
Zufriedene Kunden kommen wieder und bringen weitere Kunden
„Der Trend geht zurück zu gesottenen, geschmorten Sachen wie zum Beispiel Kalbskopfsbäggli. Einfach, rustikal, lokal. Keine komischen Fische und keine Krustentiere“, sagt die Zürcher Zunfthaus-Wirtin. “Die Gäste mögen es, dass Natur und Umwelt Thema sind und lassen sich gern überzeugen.” Sie arbeitet seit Jahren mit den gleichen, bewährten Lieferanten, leistet sich bestes Personal und hohe Warenkosten für erstklassige Qualität. Dafür kann sie komplett auf Werbung verzichten, ihre Kunden kommen wieder und bringen neue.

Klare Prioritäten und klar strukturierte Abläufe mit messbaren Indikatoren
Der Kunde ist zufrieden, wenn seine Erwartungen erfüllt oder sogar übertroffen werden. Die einen suchen hohe Qualität, andere niedrige Kosten.
Der Manager eines Erstklass-Ferienhotels erzählt, man könne sich nur leisten, im Grillroom Schweizer Roastbeef anzubieten, wenn man den Produzenten kenne. Stadtbetriebe würden sich kaum mehr getrauen, Schweizer Fleisch auf die Karte zu nehmen. Es sei zu viel nicht gekennzeichnetes, zweitklassiges Fleisch im Handel und somit die Qualität des teuren Schweizer Fleisches nicht konstant, berichtet der Hotelier. Heisst das, die Bauern bringen ihr ausgedientes Tier zum Metzger zum nach CH-TAX Bewertung korrekten „Wurstpreis“ (2), dann wird die alte Kuh geschlachtet, zerlegt und als Fleisch erster Qualität weiterverkauft? Tatsache ist auf jeden Fall, dass viele Restaurants im obersten Segment zartes Importfleisch kaufen statt mindestens gleich teures Schweizerfleisch, das seine Qualität erst in der Pfanne preisgebe.
Am andern Ende des Spektrums steht das „Arbeiterrestaurant“. Hier kostet ein Menu mit Suppe oder Salat, Hauptgang und Dessert unter 20 CHF. Wie kann man rentabel arbeiten, wenn man bedenkt, dass Miete, Personal und Strom nur zum Teil variabel sind? Die Beiz serviert 150-200 Mittagessen täglich. “Bei den Margen kannst du dir nichts erlauben”, erklärt der Wirt –also werden die währschaften Gerichte mit billigen Importpoulets, Zuchtlachs aus Norwegen u.ä. gemacht.
Lieferanten, Mitarbeiter und Kunden sind Partner
Die Lebensmittelwertschöpfungskette geht vom Acker bis auf den Teller. Je kürzer und solider diese Kette, desto persönlicher die Beziehung und einfacher die Qualitätssicherung. Die Gaststube als Lieferantin der Konsumenten gibt deren Bedürfnisse als Kundin an ihren eigenen Lieferanten weiter. Im Idealfall ist dieser Lieferant auch der Produzent.
Die Abstimmung zwischen Landwirt und Gastwirt ist beim Gemüse am einfachsten: Die relativ kurzen Kulturzeiten ermöglichen der Bäuerin, nötigenfalls sogar während des Jahres noch auf die Vorlieben der Gäste zu reagieren und die Produktion etwas anzupassen; wenigstens am Anfang der Zusammenarbeit, bis man sich, respektive seine Bedürfnisse und Möglichkeiten, kennt.
Die logistische Herausforderung beginnt dort, wo der Verarbeiter, statt einen einzelnen Händler anzurufen, 4 bis 5 verschiedene Lieferanten kontaktieren müsste. Das kostet Zeit, die der Wirt häufig nicht hat. Deshalb müssen sich die Produzenten normalerweise diese Zeit nehmen, die Kunden anrufen und auch den Transport gewährleisten. Am einfachsten und trotzdem lokal, saisonal und fast direkt sind Kooperativen und Genossenschaften, die die Produkte verschiedener Produzenten anbieten und auch liefern.
Kontinuierliche Verbesserung
Stillstand ist Rückschritt. „Meine verwöhnte Kundschaft hat die Kalbsschnitzel von vorne nach hinten und zurück gesehen“, erklärt einer meiner ehemaligen Klassenkameraden. Gutes Zuhören, Trends erkennen, Möglichkeiten ausloten und mit den Partnern (Lieferanten, Kunden und Mitarbeitern) den besten Weg vorwärts finden heisst das Rezept zu langjährigen erfolgreichen Geschäftsbeziehungen.
Auch die Wertschöpfungskette selber hat in den meisten Fällen noch Verbesserungspotenzial. „Mit Frühstückseiern haben wir angefangen. Gute Eier kommen von Hühnern, die Auslauf und gutes Futter haben. Also sagten wir: bitte gebt den Tieren einfach Körner zum Fressen!“ Unterdessen stammen in diesem Saisonbetrieb 100% der Eier, 100% der Milch und 100% des Käses direkt vom Bauern. Auch der Metzger liefere direkt, fahre eine halbe Stunde den Berg hoch.
Schwierig werden diese direkten, kurzen Kreisläufe, wenn die Wege länger sind oder die Quantitäten grösser: In einem Fleischrestaurant werden hauptsächlich die „besten“ Stücke gebraucht mit den kürzesten Garzeiten. Da arbeite man besser mit einem bewährten Händler.
Erfolgsrezept kurze, transparente Wege
Ein qualitativ hochstehendes Produkt kann nur mit guten Ausgangsmaterialien hergestellt werden. Deshalb sind bewährte Lieferanten und transparente Lieferketten wichtig, speziell in der Lebensmittelwertschöpfungskette, wo das Ausgangsprodukt vom Standort, dem Klima, der Arbeitsweise des Produzenten, eventuell einer ersten Verarbeitung usw abhängt.
Unsere Erfahrungen zeigen: der einfachste Einstieg für ein Restaurant in eine direkte Zusammenarbeit ist die direkte Lieferung von Tagesgemüse in regelmässiger Frequenz. Auch für Milch, Käse, Eier macht die Direktlieferung häufig Sinn. Sind die Wege zu lang oder zu viele Schritte zwischen Land- und Gastwirt (wie beim oben erwähnten Beispiel der inkonsistenten Fleischqualität), „spielt der Markt“ und der lokale Kreislauf wird durchbrochen.
Im gleichen Boot auf der Hochpreisinsel. Und wie weiter?
Die Gastronomie und die Landwirtschaft arbeiten im gleichen Umfeld („Hochpreisinsel Schweiz“) und mit verderblichen Lebensmitteln, die auf dem Hof produziert und im Restaurant verarbeitet und verkauft werden. Da durch kurze Wege die Qualität besser gesichert werden kann – und die Swissness fast automatisch mitkommt – scheint es Sinn zu machen, die Lebensmittelkreisläufe als Organismus zu betrachten und zusammen neue Ideen zu entwickeln und zu erfinden.
Vertragslandwirtschaft muss nicht auf die Hühner- und Eierproduktion für Grossverteiler, Kartoffelproduktion für Schnellimbissketten, Zuckerrüben und Gemüseanbaugenossenschaften limitiert sein: es gibt auch erfolgreiche Partnerschaften zwischen individuellen Gast- und Landwirten, die miteinander Verträge abschliessen für Gemüse, Eier, Schaffleisch, Poulet, Milchprodukte und co.
Als Beispiele bereits existierender Initiativen seien hier Ticino a Tavola (3) sowie das Label fait Maison (4) von gastrosuisse und die lange Liste von Slow Food Empfehlungen (5) erwähnt sowie das Tool ecocook (6).

