
Das Ziel sei, dass die „Mitglieder einer Gesellschaft jederzeit physischen und wirtschaftlichen Zugang zu ausreichender, sicherer und nahrhafter Nahrung haben, welche ihren Ernährungsbedürfnissen und Nahrungsmittelpräferenzen für ein aktives und gesundes Leben entspricht.“ So steht es im offiziellen Schweizer Agrarbericht (2016).
Wie das geschehen soll wird durch die Agrarpolitik festgelegt und mit Gesetzen und Verordnungen umgesetzt. Für Änderungen in der Verfassung steht die Möglichkeit einer Volksinitiative zur Verfügung. Das ist im Zusammenhang mit dem Thema Landwirtschaft in den letzten drei Jahren sieben mal geschehen mit der
- Ernährungssicherheitsinitiative,
- Fair Food Initiative,
- Hornkuh-Initiative,
- Ernährungssouveränität – die Landwirtschaft betrifft uns alle,
- Zersiedelungsinitiative,
- Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide, und
- Sauberes Wasser für Alle.
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Timing
So wichtig wie für die Wirtschaft die „Location“ ist, so wichtig ist in der Politik das „Timing“.
Am Beispiel der aktuellen Volksinitiative für Ernährungssicherheit sieht das so aus: Am 7. März hat der Nationalrat den Gegenvorschlag, den der Ständerat zur SBV-Initiative ausgearbeitet hat, angenommen. Eine Woche später wurde das Geschäft in die Sessions-Schlussabstimmung angenommen. Obwohl man in den Gegenvorschlag hineininterpretieren kann, dass er den Agrarfreihandel in der Verfassung verankere und auch die Kürzungen im Agrarbudget 2017 den Strukturwandel weiter fördern, zog der Bauernverband seine Initiative zurück.

Die Volksabstimmung findet wahrscheinlich schon im Herbst statt. Abstimmungsslogans und –Resultate werden die kurz darauf stattfindende Diskussionen im Parlament zur die Agrarpolitik beeinflussen und in Verordnungen und Richtlinien einfliessen. Der Gegenvorschlag kann so in Rekordtempo umgesetzt werden.
Die andern Initiativen werden anschliessend, sofern sie bis dann nicht ebenfalls zurückgezogen worden sind, ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung empfohlen weil
- mit der Initiative für Ernährungssicherheit schon das mildeste der Volksbegehren von Volk und Ständen nicht für nötig befunden worden sei, oder
- die Anliegen mit der Annahme des Gegenvorschlags zur SBV-Initiative schon abgedeckt seien, oder
- die Forderungen nicht umsetzbar seien, oder
- die zur Durchsetzung nötigen finanziellen Mittel zu gross wären.
So betrachtet kommen die Volksinitiative gegen Synthetische Pestizide und die Volksinitiative für Gesundes Wasser und Gesunde Nahrung, für die jetzt Unterschriften gesammelt werden, ebenfalls gut getimed: sie halten das Thema in der Diskussion.
Emotionen
Der Abstimmungskampf zum Thema Ernährungssicherheit hat mit Schlagwörtern und oberflächlichen plakativ begonnen. Statt fundierter Information werden Gefühle vermittelt, Emotionen geschürt:
- „Auch Landwirtschaft soll Sparbeitrag leisten“ (economiesuisse.ch)
- „die Macht der Bauern“ (nzz.ch)
- „ „Swissness“ erinnert an Trump’s „America first““ (derbund.ch)
- „Amerikanische Farmer machen aus immer weniger immer mehr“ (nzz.ch)
Wenn man dann die Artikel liest erfährt man nicht unbedingt mehr als schon im Titel steht: sie sind meistens gefüllt mit oberflächlichen und nicht immer nachprüfbaren Argumenten zur Meinungsbildung. Solche „systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher o.ä. Ideen und Meinungen mit dem Ziel das allgemeine Bewusstsein in bestimmter Weise zu beeinflussen“ nennt man Propaganda.

Propaganda
Propaganda darf nicht nur gelesen werden, sie will auch interpretiert sein, bei uns ebenso wie anderswo.
Wenn ein Zeitungsartikel zum Beispiel gegen ein Volksbegehren eintritt indem er auf ihre „kommunistischen Ursprünge“ verweist, die auf einem „Nationalmythos“ basieren, dann darf man davon ausgehen, dass der Schreiber nicht viel Konkretes gegen die angegriffene Initiative einzuwenden hat.
Oder wenn in einem Gastkommentar erklärt wird, internationaler Handel unterstütze die Nachhaltigkeit, „indem nicht hier die Ressourcen überstrapaziert und andernorts brachliegen gelassen werden. Aus der Sicht der Ernährungssicherheit ist Handel interregionaler Ausgleich von Kalorien, Proteinen und Geld“, so soll der Leser den unlimitierten Freihandel unterstützen, denn die „Weltgemeinschaft (hat) die Frage der Ernährungssicherheit gemeinsam zu beantworten. Sie ist ein öffentliches Gut, das es zu beschützen gilt.“ Der Artikel greift zu kurz. Was ist mit dem Hunger, den Landgrabbing verursacht? Gemäss der FAO Definition ist Ernährungssicherheit dann gegeben, wenn alle Menschen jederzeit Zugang zu genügend, ihnen entsprechender, sicherer Nahrung haben um ein gesundes, aktives Leben zu führen. Doch die dafür nötige internationale Solidarität wird in dem Artikel ebenso wenig thematisiert wie mögliche handelshemmende ausserordentliche politische Vorkommnisse, produktionsverringernde klimatische Ereignisse oder marktbedingte Preiserhöhungen.
Jeder Artikel hat ein Ziel und deshalb unterliegt jeder Autor mindestens einer gewissen (Selbst)Zensur. Um sich selber ein vollständiges Bild zu machen und eine eigene Meinung zu bilden, braucht man verschiedene Informationsquellen aus mehreren Blickwinkeln. Diverse Organisationen wie die Konsumentenvereinigung oder der Konsumentenverband, aber auch Anlässe wie der öko.natur.Kongress, das Festival du film vert oder Nebenrolle Natur und immer mehr TV und Radio-Sendungen bieten die Möglichkeit sich eine nuanciertere Meinung zu bilden.
Demokratie
Volksabstimmungen sind Meinungsumfragen. Damit die Fragen mit einem einfachen “Ja” oder “Nein” beantwortet werden können, werden bei der Fragestellung sehr viele Konzessionen gemacht. Der Volksentscheid wird dann vom Parlament wieder interpretiert und umgesetzt.
Deshalb ist es wichtig, dass die Abstimmenden sich möglichst ganzheitlich informieren und sich nicht nur auf eine einzelne Informationsquelle verlassen. Ein vollständiges Bild braucht mehrere Perspektiven, eine ganzheitliche Information braucht mehrere Quellen, idealerweise solche, die verschiedene Meinungen vertreten und nicht die gleichen Ziel haben.

Weiterführende Links
- Inside Economiesuisse, über den Abstimmungskampf zur Steuerreform III →
- „Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern“ →
heisst eines der Ziele der Agenda 2030. Den Rahmen dafür steckt der globale Kompass für nachhaltige Entwicklung → - „Geschäft“ Volksinitiative für Ernährungssicherheit →
- Botschaft des Bundesrates zur Fair Food Initiative →
- Botschaft des Bundesrates zur „Würde der landwirtschaftlichen Nutztiere“→
- Botschaft des Bundesrates zur Initiative für Ernährungssouveränität →
- Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide (Unterschriftensammlung bis Mai 18) →
- Sauberes Wasser für Alle (Unterschriftensammlung bis September 18) →

