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Wofür wir alle kämpfen. Artikelserie Ernährungssouveränität – 1

Im Herbst dieses Jahres stimmen die Schweizerinnen und Schweizer wahrscheinlich über die Initiative für Ernährungssouveränität ab. Aber um was genau geht es dabei eigentlich?

Am 24. September 2017 stimmten fast 80 Prozent der Stimmberechtigten mit einem Ja für die sogenannte Ernährungssicherheitsinitiative. Ein wuchtiges JA zum Erhalt der verbliebenen Kulturlandschaften und einer unabhängigen und vielfältigen Landwirtschaft. Doch die Ernährungssicherheitsinitiative war nur ein Teilerfolg. Trotz dem Schutz der Kulturlandschaften vor Umzonung steht es schlecht um die Schweizer Landwirtschaft.

 

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  • Bauernsterben und Jobvernichtung

    Doch die Zeichen für eine solche Landwirtschaft stehen, trotz Volksmehr zur Ernährunssicherheit, schlecht. Seit 1980 hat sich die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz laut Bundesamt für Landwirtschaft auf rund 50’000 Betriebe weniger als halbiert. Was die Schweiz sage und schreibe 100’000 Arbeitsplätze gekostet hat. Der Trend geht unvermindert weiter. Pro Jahr schliessen weitere 1000 Höfe für immer ihre Tore und verlieren 2’000 Landwirte und Angestellte ihren Job. Verlorene Arbeitsplätze in Zulieferbetrieben (Schreiner, Veterinäre, Sattler, Mechaniker etc…) und Weiterverarbeitern (Metzger, Müller, Bäcker,…) nicht mitgerechnet. Bis 2024 sollen nochmal 10’000 Betriebe eingehen. Und selbst die Menschen, die weiter in der Landwirtschaft arbeiten, können davon oft nicht oder kaum leben. Heute verdient ein Bauer im Schnitt 30 Prozent weniger, als vor dreissig Jahren. Unter anderem diese Entwicklung will die Initiative zur Ernährungssouveränität stoppen. Die wichtigsten Ziele:

    • Sie schafft Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und Zulieferbetriebe (Metzger, Schreiner, Vetrinäre, Sattler, Mechaniker etc…)
    • Sie fördert den Erhalt der Artenviefalt und das Angebot von qualitativ einwandfreien Lebensmitteln zu fairen Preisen.
    • Sie schützt wertvolles Kulturland vor der Überbauung mit ökologisch schwachsinnigen Einfamilienhäusern und immer noch mehr Strassen, Parkplätzen und Gewerbegebieten.
    • Sie soll den Erhalt der Bodenqualität durch Fruchtfolge gewährleisten (die Bepflanzung mit wechselnden Feldfrüchten und die zwischenzeitliche Schonung der Ackerflächen verhindert das Auslaugen der Böden, erhält Nützlinge und vermindert den Bedarf an Dünger und Pflanzenschutzmitteln).
    • Sie soll die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen oder den Import von gentechnisch kontaminierten Futter- und Lebensmitteln verhindern oder eindämmen.
    • Sie schützt die ökologisch wertvollen unbebauten Flächen und garantiert so den Erhalt der vielfältigen Schönheit unserer Natur.
    • Sie gebietet der sinnlosen Subventionierung von Lebensmittelexporten Einhalt.
  • Eine Weltweite Bewegung

    Die Initiative zur Ernährungssouveränität ist kein abgekoppeltes Projekt zum Schutz der Schweizer Biobauernhöfe. Entwickelt wurde der Begriff Ernährungssicherheit 1996 von der internationalen Kleinbauernorganisation La Via Campesina und vom Weltagrarbericht mit seinen 58 Unterzeichnerstaaten genauer definiert.
    La Via Campesina formulierten die Ernährungssouveränität als antikoloniale Kritik an der Fremdbestimmung von Staaten durch die internationalen Handelsregeln der Welthandelsorganistation WTO und restriktiven, neoliberalen Kreditauflagen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Ernährungssouveränität ist nicht identisch mit der eher passiven Ernährungssicherheit. Laut der Deklaration des Europäischen Forums für Ernährunssouveränität ist „Ernährungssouveränität das Recht der Völker auf gesunde und kulturell angepasste Nahrung, nachhaltig und unter Achtung der Umwelt hergestellt. Sie ist das Recht auf Schutz vor schädlicher Ernährung. Sie ist das Recht der Bevölkerung, ihre Ernährung und Landwirtschaft selbst zu bestimmen. Ernährungssouveränität stellt die Menschen, die Lebensmittel erzeugen, verteilen und konsumieren, ins Zentrum der Nahrungsmittelsysteme, nicht die Interessen der Märkte und der transnationalen Konzerne.”

  • Sache der Konsumenten

    Die verschiedenen Länder sollen die Möglichkeit haben, selbst darüber zu bestimmen, welche Lebensmittel sie brauchen und produzieren. Deshalb ist die Ernährungssouveränität nicht alleine Sache der Landwirtschaftsbetriebe und Nahrungsmittelhersteller, sondern bereits der Konsumenten. Diese müssen definieren, welche Lebensmittel sie wirklich brauchen und wie diese in der nötigen Menge unter fairen und umweltfreundichen Bedingungen produziert werden.

    Die (weltweite) Realität in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion sind – da sind sich alle Experten unterschiedlichster politischer couleur einig – katastrophal. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wertvolles afrikanisches Getreide wird als Kraftfutter in die hochsubventionierte europäische Schweinefleischüberproduktion gepumpt. Gleichzeitig, können afrikanische Obstbauern nicht gegen das hochsubventionierte Obst aus der EU konkurrieren und werden gezwungen, unter massiven Pestizideinsatz patentiertes Gentechgetreide, oder Palmöl für die europäische Nahrungsmittelindustrie und «Bio»-Diesel zu produzieren.Exemplarische Widersinnigkeiten, die aufzeigen, wie die neoliberale Marktlogik auch unsere ureigensten Grundbedürfnisse einer kurzsichtigen Profitmaximierung ohne Rücksicht auf Verluste unterwerfen will.

    Mit der Initiative für Ernährungssouveränität haben wir in der Schweiz eine riesige Chance, die Zukunft der Agrarpolitik und der Lebensmittelproduktion ein substantielles Stück weit zum Besseren zu wenden. Lassen wir uns die Chance nicht entgehen.

Der nächste Artikel dieser Serie ist zum Thema

Weder Wachsen noch weichen!
Die Schweizer Landwirtschaft könnte Arbeitsplätze schaffen statt zu zerstören.

 

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