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Eine “Charta zur Digitalisierung” der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft

Kennen Sie die Strategie „Digitale Schweiz“? Der Bundesrat hat sie vor über zwei Jahren gemacht; es geht um “Innovation, Wachstum und Wohlstand in der digitalen Welt, Chancengleichheit und Partizipation aller, Transparenz und Sicherheit, und nachhaltige Entwicklung.”

Digitalisierung bedeutet unter anderem Datensammeln … “unter Federführung des BLW wurden daher in einer Charta allgemeine Grundsätze zum Umgang mit Agrardaten definiert”. Nach ihrer Unterzeichnung wird jetzt “zusammen mit der Charta ein Dialog zur Vernetzung aller Anspruchsgruppen lanciert. Mit diesem Dialog soll ein gemeinsames Bewusstsein geschaffen, die Zusammenarbeit gefördert, Handlungsbedarf aufgezeigt und letztlich die Strategie umgesetzt werden”.

  • Digitalisierung in der Landwirtschaft

    zur Website BLW über Digitalisierung →
    von dieser Website stammen auch die Zitate im ersten Abschnitt.

  • Die Wichtigkeit des Kollektiven in der Landwirtschaft

    Bernhard Lehmann hat in seiner Schlussbetrachtung die Wichtigkeit des Kollektiven in der Landwirtschaft hervorgehoben und daraus für eine Aufbruchsstimmung plädiert, um nicht nur die Risiken zu sehen.

    Die Landwirtschaft kenne viele kollektive Nutzungen. Lehmann spannte den Bogen von der Digitalisierung in der Land- und Ernährungswirtschaft zum «Landwirtschafts-Kommunismus», wie er sagte, also zur Kollektivierung der Landwirtschaft.

    Land-, Bodenverbesserungs-, Einkaufs- und Betriebsgenossenschaften seien in der Landwirtschaft naheliegend. Es sei zu hoffen, dass die Land- und Ernährungswirtschaft mit dem vorliegenden Digitalisierungsprojekt den Banken nun einmal voraus sei.

    Lehmann umriss den Einsatz der Digitalisierung mit dem Bild eines «Schmetterlings»: in der Mitte der Leib der Betriebe mit den vier Flügeln bzw. Einsatzbereichen.

  • Digitalisierung in fünf Bereichen

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    Ob die Digitalisierung in der Land- und Ernährungswirtschaft tatsächlich ein kollektives Instrument in den Händen der Bauern darstellt, ist die eigentliche Frage?

    Wird die durch die Wachstumswirtschaft in die Vereinzelung getriebene ehemals stark genossenschaftlich organisierte Struktur der Familienbetriebe mit der Digitalisierung zu einer stärkeren Marktmacht, welche folglich bessere Produktepreise löst und die Lebensmittelproduktion wieder als natürliche Reproduktion nach dem Leben ausrichtet? Fügt die Digitalisierung die wirtschaftliche Vereinzelung der Bauern als Folge der Wachstumswirtschaft und des sich verschärfenden Erwerbszwanges wieder zu einem lebensweltlichen Ganzen zusammen?

    Wenn es doch bisher nicht gelungen ist, die Rationalisierungsfortschritte der Wirtschaft in Form sinkender Arbeitszeit der Gesellschaft und dem Kulturprozess zugänglich zu machen, wie soll dann die Gesellschaft aus der Digitalisierung einen Nutzen zu Gunsten der Wieder-Ausdehnung der Lebensräume erreichen können? Es bleibt bei der Frage, wer sich den Nutzen der Digitalisierung in der Land- und Ernährungswirtschaft aneignen kann?

  • Bisher sind die Konsumentenpreise bei jeder Reform gestiegen

    Bisher sind im Ergebnis der Agrar- und Handelsreformen die Produzentenpreise gesunken und die Konsumentenpreise gestiegen.

    Wie kommt es zur Aneignung einer steigenden Marktspanne durch die Verarbeiter II. Stufe und die Verteiler? Die steigende Marktspanne wird nur immer angesprochen, aber selten in ihrer Zusammensetzung analysiert. Die Agrarplattform 2006 hatte die Marktspannen untersucht und festgestellt, dass sie aus Betriebskosten besteht von den Mindestlöhnen bis zu den Immobilienpreisen, verbunden mit einer wachstumsorientierten Ausweitung der Serviceleistungen, um Einkommen im industriellen Bereich der Verarbeitung/Verteilung zu erzielen.

    Auch wenn die Grenzöffnung im Bereich der Landwirtschaft durchgedrückt werden sollte, bleibt offen, ob mit privaten Absprachen in der «food-value-chain» mehr als eine Nischenstrategie der «Singularitäten» gesichert werden kann.

  • Bedürfnisbasierte Produktion vs. Mehrwertstrategie

    Wenn man sich bei offenen Grenzen wirtschaftlich behaupten will, dann braucht es den eigentumsrechtlich verbindlichen Zusammenschluss der Produzenten, welche dadurch die Macht haben, mit den Konsumenten zusammen die eigene Produktion gegen den Import durchzusetzen. Die Verarbeiter/Verteiler müssen deshalb ihre industrielle Gestaltungsfreiheit bzw. ihre Macht über die Konsumenten an das «Kollektiv» der Produzenten abgeben.

    Um dies durchsetzen zu können, muss das Kartellrecht geändert werden. Siehe dazu Paul Richli, «Die Landwirtschaft braucht mehr Ausnahmen von der Anwendung des Kartellrechts!», in Blätter für Agrarrecht, Heft 1/3 2018, S. 3 ff.. Ein Postulat, das wir vor mehr als 10 Jahren mit Richli mehrmals besprochen hatten. Andernfalls läuft es weiter, wie wir das bei der Milch gesehen haben, wo man die Bildung der Produzentenmacht nach der Auflösung der Milchkontingentierung verhindert hat. Das war eine unglaubliche Geschichte. Sie zeigt, wie das unternehmerische Selbstverständnis all dieser «Lebensmittelingenieure» ist. Im Konflikt zwischen wachstumswirtschaftlicher Produktion und bedarfsorientierter Reproduktion entscheiden sie sich für den «Markt» und nennen das dann «Mehrwertstrategie».

    Die «Mehrwertstrategie» wurde jetzt von der BOM vor dem Untergang aufgegriffen bzw. ihr aufgedrängt. Dafür wird die BOM nun lobend erwähnt, sich nun «auf dem richtigen Weg» zu befinden, wie Marketingberater Christof Dietler an der Tierschutz-Tagung vom 21. ds. in Olten hervorhob. Die Mehrwertstrategie soll den Absatz im internationalen «Singularitätenmarkt» stärken und so den Milchpreis etwas stabilisieren. Mehr nicht. Hauptsache, die Internationalisierung des Wachstumsmarktes Nahrungsmittel wird nicht durch Alternativen gestört, welche davon ausgehen, dass Reproduktionskreisläufe nicht wachsen können…

Video-Interview von Adrian Krebs mit BR Schneider Ammann:

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Hans Bieri dipl.Arch.ETH/SIA, Raumplaner, Geschäftsführer der SVIL und Vorsitz, Zürich

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