Eine Entgegnung
Rudolf Strahm kritisiert in der Sonntags-Zeitung die beiden Initiativen Fair-Food der Grünen und der Ernährungssouveränität der Bauerngewerkschaft Uniterre. So behauptet er, die Initiativen «unterstützten den Agrarprotektionismus und verhinderten, dass auch Entwicklungsländer exportieren, ihre Handelsbilanz verbessern und mehr Beschäftigung anbieten können.“ Strahm vertritt dabei (nicht zum ersten Mal) eine veraltete und durch die Wirklichkeit widerlegte Sicht von Entwicklungspolitik mittels „Agrarexport“.
Dabei hat doch der Weltagrarbericht (Wege aus der Hungerkrise, 2008) aufgezeigt, dass die binnenwirtschaftlichen angestammten Strukturen der eigenen bäuerlichen Landwirtschaft die Bevölkerung am besten ernähren kann und dass der vom Finanzsektor von aussen finanzierte hilfsstoffbasierte Agrarexport die bäuerliche angestammte Landwirtschaft zerstört und wegen den terms of trade nur den internationalen Agrarkonzernen dient. Denn die Deviseneinnahmen gleichen die durch den Agrarexport ersetzte binnenwirtschaftliche Wertschöpfung nicht aus.
Warum weiss Strahm das nicht? Weil er immer noch fest glaubt, ‚international ist gutʻ und ‚national ist schlecht und bürgerlichʻ. Deshalb schwärzt er die einheimische Landwirtschaft für den Einsatz von Hilfsstoffen an, die — bei allen positiven Unterschieden, die dennoch vorhanden sind, z.B. nur schon bei der Tierhaltung, — ja unter der alten Agrarordnung nur aus Notwehr wegen zu tiefen Einkommen erfolgte. Und die zu tiefen Einkommen waren die Folge davon, dass die Konsumenten der eigenen Landwirtschaft im hochpreisigen Industrieland Schweiz kostendeckende Preise immer mit dem Hinweis verweigert hatten, diese seien im Ausland billiger zu haben. Somit versuchte die bäuerliche Landwirtschaft auf Hilfsstoffe auszuweichen, ohne dass sie sich dabei zur industriellen Landwirtschaft gewandelt hat, wie Strahm das behaupten möchte. Seit der Auflösung der staatlichen Marktordnungen geht es doch jetzt darum, diese Schäden zu beheben und dafür zu sorgen, dass die einheimische Landwirtschaft im Industriestaat Schweiz ein standortgerechtes Einkommen über die Preise realisieren und damit auch die letzten schädlichen Hilfsstoffe wieder zu Gunsten einer nachhaltigen und ökologischen Produktion beseitigen kann. Das Gleiche ist doch bei den importierten Futtermitteln zu sagen, welche ja wegen den WTO-bedingten Zollsenkungen zum Problem wurden. Also auch da, die Bevölkerung muss das Recht haben, ihre vitale Versorgung mit Lebensmitteln selbst zu gestalten. Die Internationalisierung des Weltagrarhandels im Interesse der globalen Wachstumswirtschaft braucht Alternativen.
Darum geht es diesen Initiativen. Dass Strahm diese Alternativen, die einen politischen Willen voraussetzen, nicht unterstützt, ist sehr bedauerlich. Wenn Strahm dann noch den Sozialpolitiker mimt und meint, die Initiativen verteuerten die Lebensmittel, hat er auch da übersehen, dass in den letzten 25 Jahren die Preise, welche die Bauern erhalten, immer gesunken sind; aber auf dem Ladentisch sind die Konsumentenpreise immer nur gestiegen. Da der Wertanteil der landwirtschaftlichen Produktion am Nahrungsmittel im Laden nur noch einen immer kleineren Bruchteil ausmacht, sollten kostendeckende Preise an die Landwirtschaft für das Portemonnaie des Konsumenten kein Argument sein, auf eine einheimische sichere und gesunde Lebensmittelversorgung doch noch verzichten zu müssen.
Strahm will nicht verstehen, dass ein innerer volkswirtschaftlicher Zusammenhang bei der Wertbildung der Produkte und den Einkommen hergestellt werden muss, wenn man in einem Hochpreis- und Hochlohnland eine eigene Landwirtschaft erhalten will. Der Vorwurf, die Initiativen seien „Ausdruck der aktuellen Deluxe-Lifestyle-Welle“, zeigt zudem, dass Strahm auch da nicht aufgepasst hat. Es sind ja gerade die Anbieter von hochpreisigen Nischenprodukten, welche die Initiativen mit dem Argument bekämpfen, sie würden ihre Alleinstellungsmerkmale durch einen gesamthaft höheren Standard streitig machen.
Die Initiativen für Ernährungssouveränität und Fair-Food wollen keinen elitären Nischen, sondern eben eine nachhaltige Landwirtschaft in der Schweiz „für alle“.


