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Revolution will not be twittered

«System Change – Not Climate Change» ist die griffige Parole der mittlerweile globalen Fridays for Futur-Bewegung. Doch der Slogan ist näher an der bitteren Wahrheit, als selbst dem linksökologischen Mittelstand lieb sein kann.

Der untypisch emotionale Auftritt Greta Thurnbergs vor dem Uno-Klimagipfel in New York sorgte nicht nur für den sattsam bekannten Shitstorm der Greta-Hater in den sozialen Medien und die üblichen unverschämten und selbstgerechten Kommentare einer korrupten, unfähigen Politikerkaste in ihrer sklavischen Untergebenheit der Finanzwirtschaft und Industrie. Auch die erwachsenen Greta-Sympathysanten mussten wohl zweimal leer schlucken. Das sonst so unaufgeregte, eloquent, faktenfest und schlagfertig argumentierende Mädchen schien kurz davor, vor Wut ihren Stuhl in die Reihen der politischen Grosskopferten im Publikum zu werfen.

Offensichtlich frustriert darüber, dass sie genau so gut gegen Wände reden könnte, warf sie einem Teil der Weltelite Sachen an den Kopf, den diese von ihren speichelleckerischen Beraterstäben kaum je zu hören kriegen. Nämlich die ungeschminkte Wahrheit, welche in solchen Kreisen nur selten ausgesprochen wird. Ja, die 16jährige wagte sogar zu drohen: «We will never forgive you. We will not you let you get away with this!»

Gier, Ignoranz und Skruppellosigkeit

Im Wesentlichen sagte sie, dass die immer wieder gleichen leeren Phrasen und Versprechungen von Wirtschaft und Politik einen Scheissdreck bringen. Das die politischen und wirtschaftlichen Eliten aus Gier, Ignoranz und Skrupellosigkeit das Leben kommender Generationen zerstören.

Aber müssen wir uns nicht auch an unsere eigenen, vor Betroffenheit triefenden Nasen fassen? Reicht es, Bioprodukte zu kaufen (wenn man es sich denn leisten kann), auf Flugreisen zu verzichten, seine Zigarrettenstummel aufzusammeln und mit «Sodastream» Petflaschen «wegzuzaubern»? Reicht es, ein Elektroauto zu fahren oder sich selbstgefällig irgendwelchen industriell gefertigten veganen Fleischersatz in den Hals zu Stopfen?

Nein, nein und nochmals nein! Die Lösung heisst nicht Elektroauto, sondern massive Einschränkung der motorisierten Mobilität, die Verlegung des nötigen Personenverkehrs auf Schiene und Busse, den radikalen Stopp der Produktion unnötiger Plastikprodukte und eine globale Abkehr von der industriellen Landwirtschaft und Massentierhaltung. Das sind nur einige von zahlreichen nötigen Schritten. Nur, die westlichen Demokratien haben in den letzten 30 Jahren das Primat der Politik weitgehend der Wirtschaft und dem militärisch/industriellen Komplex geopfert. Und so vollmundig die sozialen und ökologischen Versprechen nach jedem Klimagipfel auch tönen. Letztlich verkaufen und Politikerinnen und Politiker die unmittelbaren Interessen der Konzerne doch wieder als «alternativlos».

Zu wenig Aktivisten

Den Klima-, Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten wird es nicht gelingen auch nur eines der obengenannten Ziele zu erzwingen. Denn so zahlreich sie auch scheinen mögen, angesichts der anstehenden politischen Herkulesleistungen sind die echten Aktivisten zu wenige und finanziell zu schlecht aufgestellt um der Gegenpropaganda adäquat etwas entgegenzusetzen.

Aktivismus ist kein Hobby

Es reicht nicht hässliche Ökoklamotten zu tragen, eklige Dinge zu essen,  oder ab und zu auf einer Demo aufzutauchen. Sozialer und ökologischer Aktivismus ist mehr als eine Freizeitbeschäftigung. Man kann ihn nicht über die Medien konsumieren. Es heisst jahrzehntelange, oft mühsame, Gratisarbeit, endlose frustrierende Diskussionen und immer wieder Anfälle von Resignation oder Verzweiflung. Und dennoch: Für das was man für richtig hält zu kämpfen, wird auf lange Sicht reich belohnt. Statt als stumpfsinniger Erwerbsarbeit- und Konsumroboter mit Netflix zu vegetieren, erlebt man Dinge wie Solidarität, Gemeinschaft, ein besseres Selbstwertgefühl, ein soziales Umfeld statt Isolation. Aber dafür muss man sich aussetzen. Unfaire Kritik, Beschimpfungen – in manchen Fällen vielleicht sogar mal Schläge einstecken. Aber ohne sich zu exponieren, kann man keinen Beitrag zum Ringen um das Überleben unserer Spezies oder der Zivilisation leisten.

Solidarität statt Konsum

Der tatsächlich alternativlose System-Change wird von uns allen einiges an Verzicht verlangen. Vorbei der Traum vom Häuschen im Grünen. Vorbei der tägliche Fleischkonsum, das Rumbrummen mit Schützenpanzerartigen Geländewagen oder schwachsinnig übermotorisierten Motorrädern. Ja selbst das solide Mittelklasseauto wird von den Strassen verschwinden müssen. Die Devise heisst, weniger Konsum, mehr Solidarität. Und die Erkenntnis, dass die Anhäufung unnützer Konsumgüter nicht gleichbedeutend ist mit Lebensqualität. Der amerikanische Bürgerrechtler und Jazz-Poet Gil Scott-Heron sang in den 70ern, «Revolution will not be televised». Heute würde er wohl singen Revolution will not be twittered.

Die Schweizerdeutsche Version von “we need to wake up – bella ciao” finden Sie auf https://stimmvolk.ch/we-need-to-wake-up—do-it-now—-bella-ciao.

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