Die Theorie über den komparativen Kostenvorteil ist auf eine geografisch-räumliche Arbeitsteilung zwischen Landwirtschaft und Industrie nicht anwendbar. Denn die Industrie entwickelt sich ja durch das Mass der Freistellung der Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft. Im Prinzip beruht die Kapitalisierung der Industrie auf einem Vorschuss der Landwirtschaft.
Dies bedingt erstens einen ständigen ökonomischen Ausgleich auf der Preisebene, also eine Mitbeteiligung der Landwirtschaft am Wachstum von Industrie und Dienstleistung, was heute weltweit nicht stattfindet und sich in der chronischen Unterbezahlung der Landwirtschaft manifestiert, und zweitens bedeutet das auch, dass wir ökologisch die Dezentralität als Quelle der erneuerbaren Grundrente, von der die gesamte Wirtschaft lebt, erkennen und auch anerkennen. Die volkswirtschaftliche Wohlstandsentwicklung, wie anfänglich ja aufgezeigt, hängt davon ab, dass ein sinkender Prozentsatz der Bauern die Bevölkerung ernähren kann, bzw. wie viele Menschen, die dann in der Industrie und in der Dienstleistung zusätzlich Werte schöpfen, ein Bauer miternähren kann. Das bedeutet aber auch, dass eine räumliche Arbeitsteilung zwischen Landwirtschaft und Industrie gewissen Grenzen unterliegt. Weil die landwirtschaftliche Produktion nie in dem Masse wachsen kann wie Industrie und Dienstleistung, ist eine wirtschaftlich ausgeglichene Entwicklung kaum möglich. Das andere Hauptargument ist ein ökologisches: Die räumliche Konzentration der Landwirtschaft führt zu Bodenschäden und weitreichenden ökologischen Defiziten, Treibhausgasen etc.. Der Aufwand, die relativ gewichtsintensiven Nahrungsmittel auf der Welt herumzuschieben, ist energieintensiv, geht auf Kosten der Frische der Lebensmittel und trennt den Lebensraum von der Lebensgrundlage. Das Modell des komparativen Kostenvorteils angewandt auf Landwirtschaft und Industrie würde nur Sinn machen bei einem einzigen Weltstaat, der aus einer einzigen Stadt und einem einzigen restlichen globalen Hinterland für dessen Ernährung bestehen würde. Eine solche Weltordnung verursacht einen unverhältnismässigen Naturverschleiss. Siehe dazu Herrn Peter Niggli’s Vortrag “was bewegt die globale Lanwirtschaft?”.
Historisch geht die Theorie vom komparativen Kostenvorteil auf Ricardo zurück. Portugal mit seiner damals kompetitiveren Textilindustrie sollte in die Landwirtschaft (Weinbau) abgedrängt werden, während England diesen Textilmarkt an sich reissen wollte. Ricardo lieferte dazu die theoretische Begründung: Zwischen zwei Staaten sei gesamthaft mehr zu verteilen, indem die einzelnen Staaten sich dort wirtschaftlich ausdehnen, wo sie gegenüber ihren Partnern einen Kostenvorteil haben. Da der Wein im Portugal besser wächst, bzw. in England gar kein Wein produziert wird, solle Portugal auf seine damals gegenüber England höher entwickelte Textilindustrie verzichten und nur noch Wein produzieren, während England auf den Weinbau verzichtet (was gar kein Verzicht ist) und nur noch Tuch produziere.
Das Problem ist nun, dass die Wachstumsraten des Weinbaus im Vergleich mit den industriellen Wachstumsraten — wie der Textilindustrie — völlig verschieden sind, was zu einer immer einseitigeren Entwicklung und Verarmung der Agrarstaaten gegenüber den Industriestaaten führt. Eine nur auf den Weinexport spezialisierte portugiesische Volkwirtschaft kann nicht in den gleichen Raten wachsen wie die Textilindustrie und würde mit der Zeit verarmen. Als die Portugiesen auf dieses ungleiche Freihandelsangebot nicht eintreten wollten, wurden sie von der überlegenen englischen Flotte dazu gezwungen. So „frei“ funktioniert Freihandel. Portugal verlor die starke Stellung in der Textilindustrie an England.
Auch heute gibt es immer noch viele Ökonomen, die nicht durchschauen, dass hinter allen Theorien immer auch ein politisches Kräftemessen steht. Deshalb muss die Souveränität stets ein Thema bleiben, denn die Tendenz zu politischen Übergriffen nimmt in dem Masse zu, wie die Hegemonie die Begrenztheit unserer Lebensgrundlage ignoriert und auch in unserer Zeit zunehmend zu Übergriffen schreitet. Um diese Auseinandersetzungen zu überwinden, müssten Landwirtschaft und Industrie in ein neues Verhältnis gesetzt werden! Wenn 3% Bauern ausreichen, die ganze Bevölkerung zu ernähren, und wenn 25% der Arbeitskräfte ausreichen, die ganze Konsumgüterversorgung aufrecht zu erhalten, dann müsste der Wohlstand eigentlich gesichert sein. Warum es mit diesen Voraussetzungen heute noch nicht gelingt in Wohlstand und Anstand zu leben und warum in dieser Situation enorme Geldvermögen und enorme Schulden aufgetürmt werden müssen, anstatt sich auf die Versorgung und auf einen zunehmen pfleglicheren Umgang mit der Naturgrundlage zu konzentrieren, muss debattiert werden. Um in Zukunft weniger nichterneuerbare Hilfsstoffe zu verbrauchen, wäre auch denkbar, 8% in der Landwirtschaft und 40% in der Konsumgüterindustrie zu beschäftigen — mit inzwischen aufgrund des technologischen Fortschrittes ganz anderen Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten als in der Vergangenheit — und mit den anderen 50% die Forschung und Entwicklung, Bildung, Kultur und Kunst weiterzuentwickeln. Zu den vordringlichsten Aufgaben gehört es dabei, die global angerichteten Kulturschäden durch eine Wiederbegrünung der Wüsten und eine Reduktion der Luftbelastung zu Gunsten eines wieder gemässigteren Weltklimas zu rekultivieren.

