Die AP 14-17. Am 1.1.14 tritt sie in Kraft. Sie soll die schweizerische Landwirtschaft ökologischer machen und gleichzeitig für die freie Marktwirtschaft anpassen (1).
Eine eindrucksvolle Kommunikationskampagne überzeugt die willigen Bürger von der Richtigkeit des eingeschlagenen Weges.
- Die Tierproduktion kompensiert die mässigen Ernten titelte das BLW die Veröffentlichung der provisorischen Landwirtschaftlichen Gesamtrechnung 2013 mit der irreführenden Erklärung, dass mit weniger mehr gemacht worden sei (2);
- Agrarschutz verteuert unsere Lebensmittel stand in Ausgabe 4/2013 vom Blickpunkt, der “Zeitung der Stiftung für Konsumentenschutz – für starke Konsumenten” über die Gewinnmarge in der Nahrungsmittelindustrie (3);
- Schneider-Ammann weist Bauern ab bestätigte die NZZ am Sonntag vom 10.Nov.13 in einem Artikel und druckte als “Externen Standpunkt” einen Artikel von Hans Rentsch, der sich in Der Irrtum grüner Agrarmoralisten und konservativer Bauern über “Propaganda, die dem Freihandel schadet” ärgert (beides leider ohne Link, da nur für Abonennten zugängig);
- Die SMP Studie kam einer Bundesratsstudie zuvor und steht quer zum obigen im Raum: sie besagt nähmlich, dass wenn in der Schweiz Europa-Milchpreise bezahlt würden, würden 82% der Milchbauern mit Milch aufhören müssen (4). Dabei kommunizierte das BLW doch, die AP 14-17 diene der „konsequenten Ausrichtung der Direktzahlungen auf die Verfassungsziele“ (5).
Was sind die Verfassungsziele?
Der Landwirtschaftsartikel (104) der Bundesverfassung nennt unter Punkt a) die Sichere Versorgung der Bevölkerung (6).
Sichere Versorgung, Ernährungssicherheit, Ernährungssouverenität; Dazu steht im BLW-Presserohstoff vom 23.10.13 Seite 9: „Der Grundsatz der Ernährungssouveränität (Art. 2 Abs. 4 LwG) wird mit den Massnahmen zur Unterstützung der Qualitätsstrategie, dem zielgerichteten Direktzahlungssystem mit spezifischen Versorgungssicherheitsbeiträgen und den Einzelkulturbeiträgen konkretisiert” (7).
Das Marketingtool „Qualitätsstrategie“ (8) wird vor den Direktzahlungen, den Versorgungssicherheitsbeiträgen und den Kulturbeiträgen genannt, und das ist logisch, denn „Mit der AP 14-17 will der Bundesrat die Innovation in der Land- und Ernährungswirtschaft stärker unterstützen, die Wettbewerbsfähigkeit weiter verbessern und die gemeinwirtschaftlichen Leistungen gezielter fördern“ (9).
Die gezielte Förderung von „gemeinwirtschaftlichen Leistungen“ wäre ein eigener Artikel, der den Rahmen unseres Kernanliegens sprengen würde, aber wenn die Qualitätsstrategie der Hut ist, unter dem eine „Kerngruppe“ – unterstützt vom Bundesamt für Landwirtschaft – Massnahmen zur Unterstützung der Ernährungssouveränität konkretisiert, interessiert das.
Als erstes wolle „die Kerngruppe … eine Eiweissstrategie in der Nutztierfütterung erarbeiten. Bis Ende November 2013 sollen Ziele, eine grobe Strategie und erste Projektvorschläge vorliegen“ meldete der LID am 27.08.2013 (11). Eiweißreiche Futtermittel sind Futtermittel, die einen hohen Gehalt (35-65 %) an Eiweiß/Protein enthalten (12).
Die Qualitätsstrategie soll auch den Schweizer Nahrungsmittelausführern helfen. Die brauchen Swissness – und Swissness heisst, dass 80% Nahrungsmittel-Gewichts aus der Schweiz sind (13). Schweizer Schokolade braucht also Schweizer Zucker um Schweizerisch zu sein.
Zuckerrübenschnitzel haben 30% Pansenbeständiges Rohprotein (14, 15). Auch Melasse ist ein Abfallprodukt der Zuckerproduktion und kann im Vieh(kraft)futter verwendet werden. Somit könnten die Zuckerrüben auch der lokalen Produktion von Fraftfutter dienlich sein. Ein “Win-Win”, wäre da nicht der Humusabbau und die Bodenverdichtung.
Weniger als 1% der in der Schweizer Zuckerrüben stammen aus biologischem Anbau. Denn die Kultur ist sehr anfällig und entsprechend chemie-intensiv (16).
Nach 2017 sollen, wenns nach dem Willen des Bundesrates geht, Genmanipulierte Organismen in der Schweiz erlaubt sein. Syngenta bietet in den USA heute schon 9 Linien glyphosatresistente, d.h. genetisch modifizierte, Zuckerrüben an (17, und 18). Solche Zuckerrüben könnten, nach 2017 in der Schweiz angebaut, immernoch Swissness ermöglichen.
Fazit
Der eigentlichen Verfassungsauftrag, die Sichere Versorgung der Bevölkerung, soll durch den Freihandel abgedeckt werden. Das erlaubt, die Direktzahlungen zurückzufahren und Flächenbeiträge auf die zur Strukturerhaltung zu limitieren, auch wenn das einen (sich bereits abzeichnenden) weiteren Rückgang des Selbstversorgungsgrads nach sich zieht. Daneben sollen die Landwirte das “produzieren, was die Konsumenten nachfragen”, so BR Schneider-Ammann in der NZZ am Sonntag vom 10.11.13. Ohne Rücksicht auf Zustand und Bedürfnisse des Bodens. Ist das im Sinne der steuerzahlenden Konsumenten?
“Die Auswirkungen … agrarpolitischer Entscheide” sollten unbedingt “unter Einbezug aller beteiligten Branchen diskutiert werden, auch wenn sich dabei Zielkonflikte ergeben können.” (Artikel “Grenzöffnung”, Seite 4 der Newsletter 3/2013 der ETH Agrarwirtschaft (19)). Das heisst: Wir kommen um die Grundsatzdiskussion über unsere Landwirtschaft, wie sie im Zusammenhang mit dem Referendum gegen die AP 14-17 gefordert wurde, nicht herum.
Weitere Links:
- Ernährungssouveränität (Via Campensia Austria); Ernährungssouveränitäts-Wiki >>>
- Ernährungssouveränität und die Schweiz, Verwirrung um einen Begriff, WOZ Nr. 35/2011
- Global denken, lokal säen; WOZ Nr. 24/2008
- zum Thema Zuckerrüben: Agrarpolitik: Zuckerbranche sieht sich als Verliererin
- Syngentas Zuckerrüben in Amerika >>>



