Antibiotika in der Landwirtschaft. Die in der Nutztierhaltung verwendeten Antibiotika stammen grundsätzlich aus denselben Substanzgruppen wie die Humanantibiotoka: Penicilline, Tetracykline, Sulfonamide, Makrolinde, Aminoglykoside und Fluorochinolone.
Im Jahr 2012 wurden in der Schweiz insgesamt 57’157 kg Antibiotika für die Veterinärmedizin verkauft. Mengenmässig wurden wie schon im Vorjahr am meisten Sulfonamide vertrieben, gefolgt von Penicillinen und Tetracyclinen.
Im Veterinärbereich werden Antibiotika zur Therapie einzelner erkrankter Tiere und zur vorbeugenden Behandlung des gesamten Bestandes eingesetzt. Als Metaphylaxe wird das Vorgehen bezeichnet, nach dem Auftreten eines Krankheitsfalls die ganze Herde vorbeugend mit Antibiotika zu behandeln. Dies geschieht u.a. dann, wenn einzelne Ferkel oder Kälber an Durchfall oder Respirationskrankheiten leiden. Die Prophylaxe hingegen setzt bereits vor dem Erkranken der Tiere an und wird bespielsweise beim Einstallen von Masttieren aus verschieden Betrieben durchgeführt.
Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft – Folgen für die Umwelt. Sulfonamid-Antibiotika gelangen nach deren Einsatz mit der Gülle auf landwirtschaftliche Nutzflächen. Im Boden bleiben Rückstände über Monate nachweisbar. Durch Regen können die Antibiotika aus dem Boden auch in die Gewässer eingetragen werden.
Gefahr durch Antibiotika. Vor allem Geflügelfleisch ist häufig mit antibiotika-resistenten Keimen belastet. Diese sind auf den massiven Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung zurückzuführen. Das bedeutet eine grosse Gefahr für die Gesundheit von uns Menschen: Jahr für Jahr sterben allein in der EU rund 25’000 Menschen an einer Bakterieninfektion.
Antibiotikaresistente Bakterien auf Geflügelfleisch. Im Jahr 2010 hat das Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) erstmals nach resistenten ESBL-Erregern im Schlachtfleisch forschen lassen. Die erschreckenden Zahlen besagen, dass beim 32,6 Prozent der Masthähnchen in Herden der ESBL-bildende Darmkeim Escherichia coli gefunden wurden, beim Rindfleisch waren es 8,6 Prozent und bei Schweinen 7,4 Prozent.
Dazu weitere Infos:
Geflügelfleisch weist antibiotikaresistente Keime auf >>>
Antibiotika in Schweizer-Fleisch >>>
Wirken Antibiotika bald nicht mehr (Club, 27.3.12) >>>
Auch Tests der Konsumentenschutz-Organisationen SKS, ACSI und FRC zeigen ein besorgniserregendes Bild. Von 40 Poulet- und Truthahnfleischproben, die bei Grossverteilern eingekauft wurden, enthielten 19 antibiotikaresistente Bakterien. 68% der belasteten Proben wiesen resistente Keime gegen drei oder noch mehr Antibiotika auf.
Diese Resultate veranschaulichen eines der grössten aktuellen Probleme des öffentlichen Gesundheitswesens: Antibiotika verlieren immer mehr ihre Wirksamkeit bei der Bekämpfung von infektiösen Erkrankungen.
Aber was bedeutet eigentlich Antibiotika-Resistenz? Einzelne Bakterien können gegen bestimmte Antibiotika unempfindlich sein, man spricht dann von Antibiotika-Resistenz. Das bedeutet, dass solche Bakterien in Gegenwart von bisher hemmenden oder abtötenden Substanzen nicht mehr oder ungenügend im Wachstum beeinflusst werden. Die Bakterien haben vielfältige Mechanismen entwickelt, um unempfindlich (resistent) gegenüber Antibiotika zu werden.
Infektionen durch resistente Bakterien sind schwieriger zu therapieren. Die Infektionen können dadurch länger dauern und schwerer verlaufen.
Antibiotika zur Leistungssteigerung in der Tierproduktion. Besonders in der Massentierhaltung werden enorme Mengen Antibiotika verbraucht. Sind nur einige Tiere krank, dient dies oft als Vorwand, die ganze Herde zu verarzten. Denn die Medikamente dienen nicht nur der Behandlung von Infekten, sondern auch zur Beschleunigung des Wachstums und Leistungssteigerung. Wie bereits erwähnt sind fatalerweise viele Antibiotika die gleichen wie in der Humanmedizin. Somit können die beim Mastvieh entstandenen Resistenzen auf den Menschen übertragen werden.
Durch die Ausbringung von Gülle und Mist ergeben sich Auswirkungen auf Böden, Gewässer und Pflanzen, was ebenfalls zu Resistenzentwicklung beim Menschen beiträgt.
Gemeinsam gegen die Antibiotikaresistenzen. Die (Schweizer+) Bevölkerung entwickelt zunehmend Resistenzen gegen einzelne wichtige Antibiotika. Der Bundesrat will nun Massnahmen gegen Antibiotikaresistenzen bündeln und ein breit abgestütztes, nationales Programm lancieren. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wurde beauftragt, gemeinsam mit den Bundesämtern für Veterinärwesen (BVET) und Landwirtschaft (BLW) bis 2015 eine Strategie und darauf aufbauend ein Programm zu Antibiotikaresistenzen zu erarbeiten. Dies soll unter Einbezug des Bundesamtes für Umwelt (BAFU), der Kantone und der betroffenen Kreise geschehen.
Internationales. Fördert Novartis & Co. die Antibiotikaresistenzen? Novartis erobert immer mehr die Tiermast, denn linear zur Fleischproduktion scheint auch der Antibiotikabedarf rasant zu steigen. Und wer profitiert? Die Pharmafirmen. Obwohl die Sparte Tiergesundheit bei Novartis bisher nur eine Nische gewesen ist, lockt die Veterinärmedizin mit grossem Wachstumspotential. Dieses Potenzial scheint sich Novartis nun zu Nutzen zu machen. Das von Novartis im Jahr 1979 lancierte Mittel Denagard erlebt gerade sein Come-Back. Denagard sei eines der wenigen gut wirksamen Mitteln gegen die Durchfallerkrankung Dysentrie bei Schweinen. In der Schweiz ist die Durchfallerkrankung bei Masttieren wenig verbreitet, ganz im Gegensatz zum Ausland. Kein Wunder ist das Antibiotikum in Europa, den USA und vor allem in Schwellenländern wie China, Vietnam und Brasilien ein Kassenschlager geworden. In den letzten Jahren ist der Umsatz von Denagard stetig gestiegen.
Weiterführende Links:
Resistenzen bei Tier und Mensch – gemeinsame Forschung in Deutschland >>>
Weitere Artikel zum Thema:
Billig, billiger, resistent; WOZ 13/2012 >>>
Resistent gegen Antibiotika (Rundschau, 7.3.12) >>>
Ohne Rücksicht auf die Folgen (Rundschau, 21.3.12) >>>
Antibiotika im Stall (Rundschau, 28.3.12) >>>

