Ernährung geht uns alle an. Deshalb hat die Landwirtschaft ihren eigenen Artikel (104) in der Bundesverfassung. Dieser Artikel soll jetzt per Initiative revidiert werden, nebst dem Bauernverband und NR Joder (SVP) haben auch uniterre und die Grünen bereits ihre Vorstellungen kundgetan (1). Und die Bevölkerung? Gespräche, die wir mit VertreterInnen von verschiedenen Konsumenten-Vereinigungen führen durften ergaben folgendes:
Die Landwirtschaft ist unsere Lebensbasis. Der revidierte Artikel 104 sollte deshalb die Bedürfnisse der Bevölkerung (Gesundheit und freie Wahl der Lebensmittelqualität und der -Produzenten) ins Zentrum stellen.
Es ist wünschenswert, dass nur eine Volksinitiative gemacht wird und sich die vier Gruppen auf einen gemeinsamen Text einigen können. So kann man sich während der Unterschriftensammlungs- und auch der Abstimmungsvorbereitungszeit auf das Wesentliche konzentrieren und die dringend nötige Grundsatzdiskussion führen.
Um den Text möglichst schlank zu halten, könnte Artikel 104 wie folgt revidiert und ergänzt werden:
1 Der Bund sorgt dafür, dass die bäuerliche Landwirtschaft durch eine nachhaltige und auf die Bedürfnisse der Bevölkerung ausgerichtete inländische Produktion einen wesentlichen Beitrag leistet zur:
a. Sicheren Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochstehenden Lebensmitteln, die umwelt- und tierfreundlich und unter fairen Arbeitsbedingungen produziert wurden;
b. Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und zur Pflege der Kulturlandschaft;
c. dezentralen Besiedlung des Landes;
Aus den verschiedenen Vorschlägen (2) sind für uns folgende Punkte ebenfalls sehr wichtig:
- Fair Trade auch im Inland;
- dass den Bäuerinnen und Bauern, unabhängig ihrer Betriebsform, das Recht auf freien Zugang zu Saatgut zugesteht;
- dass die öffentliche Forschung die traditionelle Sortenzüchtung der in der Schweiz angebauten Ackerfrüchte unterstützt;
- dass importierte Lebens- und Futtermittel den Schweizer Qualitäts-, Umwelt- und Tierschutzkriterien entsprechen und den Anforderungen des fairen Handels genügen (Grenzschutz gegen Öko- und Social-dumping)
Zusatzbemerkung
Weil die Gesundheit in engem Zusammenhang mit der Ernährung steht, müsste man
- Art. 118 2.a. (Schutz der Gesundheit) ergänzen, damit er nicht nur den Umgang mit Lebensmitteln sondern auch die Produktion von Lebensmitteln erfasst, und
- Art. 120 (Gentechnik im Ausserhumanbereich und Übergangsbestimmung in Art. 197) mit einem zusätzlichen Absatz in Artikel 120 bezüglich Menschennahrung das Gentechmoratorium in ein Gentechverbot umwandeln.
Die vier Ausgangsinitiativen
SBV, neuer Artikel 104a
Der Bund stärkt die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln aus nachhaltiger inländischer Produktion; er trifft wirksame Massnahmen insbesondere gegen den Kulturlandverlust.
Joder: 104a Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse im Inland
Der Bund sorgt dafür, dass die Landwirtschaft gesunde und qualitativ gute Nahrungsmittel produziert. Dabei ist ein möglichst hoher Selbstversorgungsgrad der Bevölkerung zu erreichen. Dieser hat mindestens dem Stand am Ende des Jahres des Inkrafttretens dieser Bestimmung zu entsprechen.
Der Bund sichert zu diesem Zweck die notwendige landwirtschaftliche Nutzfläche einschliesslich Sömmerungsgebiete, reduziert den administrativen Aufwand in der Landwirtschaft auf ein Mindestmass und erhöht die Planungs- und Investitionssicherheit für die landwirtschafltichen Betriebe.
Muss der Bund die Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus gesamtwirtschaftlichen Interessen weiter liberalisieren, so beschränkt er sich auf das notwendige Ausmass und trifft zur Aufrechterhaltung der inländischen Produktion Kompensationsmassnahmen.
Grüne: 104a Nachhaltiges Lebensmittelangebot
Der Bund stellt die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochstehenden Lebensmitteln, die umwelt- und tierfreundlich und unter fairen Arbeitsbedingungen produziert wurden, sicher.
Er ist bestrebt, dass importierte Lebens- und Futtermittel den Schweizer Qualitäts-, Umwelt- und Tierschutzkriterien entsprechen und die Umweltbelastung durch deren Tarnsport reduziert wird.
Er sorgt dafür, dass importierte Lebensmittel den Anforderungen des fairen Handels genügen.
197 11. Übergangsbestimmung zu Artikel 104a
Ausführungserlasse zu Artikel 104a beinhalten mindestens folgende Massnahmen:
Der Bund trifft mit den Importeuren verbindliche Zielvereinbarungen und strebt damit folgende Ziele an:
a. Bis 2025 müssen mindestens 25% der eingeführten Lebens- und Futtermittel die Standards der IP erfüllen.
b. Bis 2025 müssen mindestens 25% der aus Entwicklungsländern eingeführten Lebens- und Futtermittel aus fairem Handel stammen
c. Bis 2025 müssen die durch den Transport von Lebens- und Futtermittel verursachten Treibhausemissionen nach dem international höchsten anerkannten Zertifizierungsstandard kompensiert werden.
Uniterre: Volksinitiative Ernährungssouveränität
Uniterre hat eine Liste ihrer Prioritäten gemacht, der in den Sektionen diskutiert wird:
- Zugang junger Bewirtschafter zu Land fördern, Anerkennung unterschiedlicher Betriebsformen, Recht der Bäuerinnen und Bauern auf freien Zugang zu Saatgut, die Landwirtschaftszone vor Spekulation und Zersiedelung bewahren.
- Markt: faire Preise für die Bauernfamilien, Mengenregulierungsinstrumente in Produzentenhand, Transparenz auf dem Markt
- fairen Arbeitsbedingungen für die landwirtschaftlichen Angestellten
- einen vorrangigen Netto-Selbstversorgungsgrad: nachhaltige inländische Nahrungs- und Futtermittelproduktion
- internationaler Markt: Schutz an den Grenzen gegen Öko- und Sozialdumping, Verzicht auf alle Exportsubventionen für Lebensmittel und Agrarprodukte, soziale und ökologische Standards in allen Handelsverträgen.
- Förderung direkter geschäftlicher Beziehungen, sowie lokale Verarbeitungs-, Lager- und Vermarktungsstrukturen, um die Rückverfolgbarkeit zu stärken, Vorschriften über die Deklaration von importierten und inländischen Nahrungsmitteln, Recht auf eigene Qualitätsbestimmungen für Lebensmittel.
Referenzen aus der Bundesverfassung:
Art. 104 Landwirtschaft
1 Der Bund sorgt dafür, dass die Landwirtschaft durch eine nachhaltige und auf den Markt ausgerichtete Produktion einen wesentlichen Beitrag leistet zur:
a. sicheren Versorgung der Bevölkerung;
b. Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und zur Pflege der Kulturlandschaft;
c. dezentralen Besiedlung des Landes.
2 Ergänzend zur zumutbaren Selbsthilfe der Landwirtschaft und nötigenfalls abweichend vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit fördert der Bund die bodenbewirtschaftenden bäuerlichen Betriebe.
3 Er richtet die Massnahmen so aus, dass die Landwirtschaft ihre multifunktionalen Aufgaben erfüllt. Er hat insbesondere folgende Befugnisse und Aufgaben:
a. Er ergänzt das bäuerliche Einkommen durch Direktzahlungen zur Erzielung eines angemessenen Entgelts für die erbrachten Leistungen, unter der Voraussetzung eines ökologischen Leistungsnachweises.
b. Er fördert mit wirtschaftlich lohnenden Anreizen Produktionsformen, die besonders naturnah, umwelt- und tierfreundlich sind.
c. Er erlässt Vorschriften zur Deklaration von Herkunft, Qualität, Produktionsmethode und Verarbeitungsverfahren für Lebensmittel.
d. Er schützt die Umwelt vor Beeinträchtigungen durch überhöhten Einsatz von Düngstoffen, Chemikalien und anderen Hilfsstoffen.
e. Er kann die landwirtschaftliche Forschung, Beratung und Ausbildung fördern sowie Investitionshilfen leisten.
f. Er kann Vorschriften zur Festigung des bäuerlichen Grundbesitzes erlassen.
4 Er setzt dafür zweckgebundene Mittel aus dem Bereich der Landwirtschaft und allgemeine Bundesmittel ein.
Art. 118 Schutz der Gesundheit
1 Der Bund trifft im Rahmen seiner Zuständigkeiten Massnahmen zum Schutz der Gesundheit.
2 Er erlässt Vorschriften über:
a. den Umgang mit Lebensmitteln sowie mit Heilmitteln, Betäubungsmitteln, Organismen, Chemikalien und Gegenständen, welche die Gesundheit gefährden können;
b. die Bekämpfung übertragbarer, stark verbreiteter oder bösartiger Krankheiten von Menschen und Tieren;
c. den Schutz vor ionisierenden Strahlen.
Art. 120 Gentechnologie im Ausserhumanbereich und Übergangsbestimmungen
1 Der Mensch und seine Umwelt sind vor Missbräuchen der Gentechnologie geschützt.
2 Der Bund erlässt Vorschriften über den Umgang mit Keim- und Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen. Er trägt dabei der Würde der Kreatur sowie der Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt Rechnung und schützt die genetische Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten.
Art. 197 7.13 Übergangsbestimmung zu Art. 120 (Gentechnologie im Ausserhumanbereich)
Die schweizerische Landwirtschaft bleibt für die Dauer von fünf Jahren nach Annahme dieser Verfassungsbestimmung gentechnikfrei. Insbesondere dürfen weder eingeführt noch in Verkehr gebracht werden:
a. gentechnisch veränderte vermehrungsfähige Pflanzen, Pflanzenteile und Saatgut, welche für die landwirtschaftliche, gartenbauliche oder forstwirtschaftliche Anwendung in der Umwelt bestimmt sind;
b. gentechnisch veränderte Tiere, welche für die Produktion von Lebensmitteln und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen bestimmt sind.

