Medienkonferenz über Start des Betriebes auf der Protected Site (geschützte Situation)
Mit einem doppelten Sicherheitszaun und permanenter Bewachung durch Polizei und Video soll das Feld, auf dem gentechnisch veränderte Weizenpflanzen zu Testzwecken angebaut werden, vor Vandalen geschützt werden. Diese Massnahme wurde vom Bund veranlasst und mit jährlich 750 000.- Fr. finanziert. Das sei zwar teuer, aber ohne diese Sicherheit sei es der Wissenschaft unmöglich, die gentechnisch veränderten Pflanzen unter Freilandbedingungen zu testen. Nur wenn die im Labor erzielten Vorteile solcher GVO unter Freilandbedingungen geprüft werden können, werde sichtbar, ob die gentechnisch erreichten Verbesserungen der Pflanzen sich in der Praxis bewähren können, wurde von den massgebenden Wissenschaftlern von ART erklärt. Zwar sei in der Schweiz bis 2017 der Anbau von GVO wegen dem Freisetzungsmoratorium verboten, aber die Forschung müsse bereit sein, solches Pflanzsaatgut dann anzubieten, wenn die negative Stimmung der Konsumenten gegen GVO sich ändere, und das Moratorium nicht verlängert würde. Francis Egger vom Bauernverband bestätigte, dass der Bauernverband vorläufig das Moratorium weiter unterstütze, aber gleichzeitig der Forschung nicht verbieten wolle, sich als Kompetenzzentrum einer unabhängigen Pflanzenzucht das dazu nötige Wissen zu erarbeiten. Neben Weizen, sei beabsichtigt auch GVO Kartoffeln und Äpfel in diesem geschützten Rahmen zu testen, erklärte Dr. Michael Winzeler, Leiter Forschungsbereich Biodiversität und Umweltmanagement am Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH von Agroscop.
Gesundes Essen und intakte Umwelt – die Vision von ART
Die Fragenbeantwortung zeigte auf, dass eigentlich in der Forschungstätigkeit der mit der neuen Überschrift auf der Home Page von ART angekündigte Paradigma Wechsel in den Schwerpunkten der Forschung noch nicht stattgefunden hat. Die Forschung ist zu stark auf die Krankheiten und Schädlinge fokussiert und zu wenig auf die Ursachen des Befalls. Sowohl Mehltau bei Weizen wie Phytophtora bei Kartoffeln sind Pilzkrankheiten die mit steigenden Stickstoffdüngergaben stark zunehmen. Die Agression gegen GVO Freilandversuche könnte möglicherweise abgeschwächt werden, wenn den GVO Gegnern bewiesen werden könnte, dass an den Ursachen der Krankheits- und Schädlingsprobleme mit vergleichbarem Aufwand geforscht werde, wurde von Presseleuten argumentiert. Ursachenforschung werde gemacht, könne aber nicht gleichzeitig mit Bekämpfungsmassnahmen behandelt werden. Und wenn der Markt hohe Glutengehalte bei Weizen verlange, die nur mit sehr hohen Stickstoffgaben erreichbar seien, so müsse die Forschung eben diesem Verlangen gerecht werden, war die Antwort. Im Feld wurde von Besuchern die Bodenqualität als ein wichtiger Faktor für die Krankheits- und Schädlingsresistenz angesprochen. Auch hier war die Antwort, man arbeite daran, aber nicht gleichzeitig mit GVO Versuchen.
Weg von der Verteidigung hin zur offenen Diskussion
Der Eindruck verhärteter Fronten im Kampf um GVO könnte beim Anblick dieser fast kriegsmässig gesicherten Anlage „Protected Site“ entstehen. Aber die Art, wie sich höchste Verantwortliche von ART und BLW der Diskussion stellten liess erahnen, dass die Bereitschaft wächst, über grundsätzliche Fragen und Verantwortungen der Agrarforschung mit Menschen ausserhalb der geschlossenen Kreise (Protected Site) der Wissenschaft zu diskutieren. Wie lange dieser für beide Seiten anspruchsvolle Weg dauert, hängt nicht zuletzt auch davon ab, wie sich die GVO Gegner einbringen. Ich besuchte die Presseorientierung als Beauftragter von Kultur und Politik K+P. Als langjähriges Mitglied der begleitenden Expertengruppe von ART und Stiftungsrat des FIBL kenne ich die Voraussetzungen und Zwänge der Forschung sehr genau. Uns Bauern und Bäuerinnen sind Erlebnisse mit der Natur möglich, von denen wissenschaftlich Tätige fast ausgeschlossen sind. Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Praxis hat für die Wissenschaft gemäss Darstellung von ART höchste Priorität. Die Diskussion mit Dr. M. Winzeler im Testfeld über das Bodenleben lässt aber vermuten, dass dieser Wissenstransfer noch Entwicklungspotential aufweist. Verlassen wir Bauern doch unseren Minderwertigkeitskomplex, wir seien nicht in der Lage der wissenschaftlichen Forschung mit unseren Erlebnissen etwas zu bieten. Leisten wir unseren Beitrag aus dem berufsmässigen Erfassen unzähliger Zusammenhänge zwischen gesundem Boden – gesunde Pflanzen – gesunde Tiere und Menschen. Zeitungsberichte müssen kurz sein. Grundsatzfragen zu behandeln ist nicht gefragt. Ich stelle diese Fragen trotzdem.
Was ist denn an Gentechnik so anders als an der etablierten Saatzucht?
Seit Jahrtausenden wurden sämtliche Kulturpflanzen durch Auslese der stärksten und gesündesten Pflanzen verbessert und vermehrt. Gleich bedeutend war die Bemühung durch Fruchtwechsel die Bodenfruchtbarkeit und Krankheitsresistenz zu erhalten.
Mitte letzten Jahrhunderts gelang es mit radioaktiver Bestrahlung oder Chemie künstliche Genmutationen in Saatgut auszulösen. Der direkte Eingriff ins Genom wurde als Rettung der Menschheit vor dem Hunger gefeiert. GVO sind nur die perfektionierte Form jener Methode, die lange von der Öffentlichkeit unbemerkt blieb. Mit der Auslösung von künstlichen Mutationen wurde es möglich den Pflanzen Eigenschaften anzuzüchten, welche die Pflanzen nie erfunden hätten, weil sie der pflanzengerechten Ausrichtung nicht entsprechen. Damit konnten auch unter hohem Stickstoffdruck stehende Kurzstroh- Weizensorten kurzfristig resistent gegen diverse Pilzkrankheiten gemacht werden. Die so erreichte Resistenz wurde aber mit wenig Ausnahmen schon nach ca 7 Jahren durchbrochen. So werden auch die GVO-Resistenzen reagieren. Der Pilz habe sich zu einer aggressiveren Form weiter entwickelt, wird dann gesagt, deshalb brauche es ständig neue Sorten. Dass ein Resistenz-Gen, ob aus alten Sorten oder durch künstliche Mutation erreicht, nur bleiben kann, wenn das Bodenmilieu stimmt, war in der Wissenschaft nie ein Thema.
Die für die Mehltau-Resistenz verantwortlichen Gene werden aus alten Weizensorten gewonnen, welche noch 50 cm längere Halme haben, erklärte Prof. Beat Keller vom Institut für Pflanzenbiologie, Universität Zürich. Im Prinzip ist das nicht neu. So wurden die Mängel moderner, auf einseitige Merkmale gezüchteter Pferde oft durch einmalige Einkreuzung von arabischem Vollblut behoben. Dabei wurden aber nicht nur halb so lange Beine angestrebt.
Den Ertrag von Dinkel wollte man durch Einkreuzen von Weizen steigern. Dinkel dürfe nicht mehr höher wachsen als 1 Meter, also wurden für die Weiterzucht der F1 Pflanzen nur kürzere als 1m zugelassen. Der Ertrag dieser kurzen F1 war höher, aber die dinkelspezifische Verträglichkeit für an Zöliakie leidende Menschen war weg. Es muss also Eigenschaften geben, die an ein unverändertes Längenwachstum gebunden sind. Als Weizen noch seine erblich bedingte Höhe wachsen durfte, war er resistent gegen Pilzkrankheiten, aber der Ertrag war nur halb so gross wie heute. Mitte letzten Jahrhunderts konnte dank dem chemischen Halmverkürzungsmittel CCC der Stickstoffeinsatz stark erhöht werden, ohne dass es zu Lagerfrucht kam. Später wurden Kurzhalmweizensorten auch züchterisch möglich. Dass mit dem intensiven Einsatz von Herbiziden und dem Tiefpflügen ein starker Humusabbau mit Verlust an Bodenpilzen (Mykorrhiza) und damit ein gewaltiger Verlust der Bodenatmung verbunden ist wird bis heute zu wenig beachtet. Wo Boden nicht mehr atmen kann, bildet sich aus Knöllchenbakterien Ammoniak. CO2 und Lachgas strömt in die Atmosphäre und lockt Schädlinge an. Ohne Korrektur dieser Bodenverarmung mutieren Schadpilze und Schädlinge zu Formen, welche die gentechnisch eingefügte Resistenz überspielen.
ART möchte Kompetenzzentrum für Agrarökologie sein
Das ist ein erstrebenswertes Ziel. Wer die Meldungen der Weltpresse über Schwierigkeiten mit GVO in aller Welt verfolgt, hat Zweifel ob in 20 Jahren Gentechnik noch ein geeignetes Aushängeschild für Forschungsanstalten ist. Nicht nur der Weltagrarbericht, auch der breit diskutierte und prophezeite Wassermangel und die Energiekrise deuten darauf hin, dass die gefragteste Kompetenz bald in intakten Bodensystemen mit Wasser speicherndem Humusaufbau und der Fähigkeit CO2 und Nitrat aus der Atmosphäre zu entsorgen liegen könnte. Die Forschungsergebnisse von Dr. Yann Hautier, Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften, Universität Zürich, zeigen die Wichtigkeit eines Paradigma-Wechsels in der Agrarforschung auf. (www.inovations-report.de) Wenn unsere kritische Haltung gegenüber GVO für ART bewirkt, dass den Ursachen gegenüber den Symptomen vergleichbare Beachtung geschenkt wird, so könnte die „protected Site“ wo vorwiegend an Symptomen geforscht wird etwas geöffnet werden. Wenn es dann noch gelänge zusammen mit der Medizin die gesundheitlich negativen Effekte hoher Glutengehalte einzubeziehen, würde ART ihrem Slogan „Gesunde Nahrung, intakte Umwelt“ hundertprozentig gerecht.
Tann, 20. März 2014




