
Wer natürliche Lebensmittel will kauft “Bio” und meint sich und der Umwelt etwas Gutes zu tun. Bio boomt (1). Frau hofft, mit gesunden Nahrungsmitteln ihre Lebensqualität zu sichern. Das grosse Bedürfnis vor allem der Städter nach Natur und frischem Gemüse haben die Multis längst erkannt: appetitlich und plakativ wird die biologische Landwirtschaft aus der Stadt für die Stadt in ihren Werbespots gezeigt.
Der orange Riese, dessen Bio-Marktanteil bereits bei fast 30% liegt (2), testete letztes Jahr die Marke «UrbanFarmers». In Basel, der führenden Schweizer Stadt für «urban agriculture» (3).
«Die Natur, die wir auf dem Dach haben, ist dieses Stück Erde, das wir umgebracht haben, dadurch, dass wir das Haus da hin gestellt haben» zitiert Architektur online Friedensreich Hundertwasser aus seinem Buch „die grüne Stadt“ (5). Immer mehr Menschen müssen ernährt werden. In der versiegelten Landschaft landet der Bauernhof auf dem Dach. Dachbegrünungen wirken als ökologische Ausgleichsflächen; seit 2013 gibts dafür sogar eine SIA Norm (Nr 312) (6). Doch diese Ideen sind schon fast urchig, verglichen mit den Vertical Farming-Projekten, die auf der ganzen Welt wie Pilze aus dem Boden schiessen:
- Schweiz-Hague (7) >>>
- Singapore (8)>>>
- New York, Rio, Paris, Tokio (9)>>>
- Und nicht nur Wolkenkratzer, auch Bunker unter der Erde werden zum Farmland (10)>>>.

Landwirtschaft ohne Land: -Wirtschaft. Bodenunabhängig. Computergesteuert und wachstumsfähig. Unterstützt von der modernsten Technik. Da braucht man keine Angst haben vor Schnecken am Salat. Und so ist es tatsächlich: Das Gemüse aus Hydrokultur wächst „ganz ohne Acker, ganz ohne Chemie“, quasi nach Biorichtlinien. „Du siehst, riechst und schmeckst die Frische.“ (11)
Wo sind die Vorteile?
Welchen Nutzen haben hors sol- und Hydrokulturen (12) im Gemüseanbau?
Bereits heute wächst “in unserer Region für unsere Region” Bio-Gemüse aus importierten Setzlingen, bestäubt durch importierte Bienen und gepflückt von importierten ArbeiterInnen. Haben die Treibhäuser Doppel(plastik)wände, dürfen sie sogar mit Öl geheizt werden. Nun wird tatsächlich auch noch darüber diskutiert, die Pflanzen zusätzlich mit direkt wasserlöslichem Nitrat zwangszuernähren. Das würde unseren Lebensmitteln die Aufnahme anderer wichtiger Mineralstoffe und Spurenelemente verunmöglichen. Damit würde der Boden und die bis anhin so wichtigen Bodenlebewesen, die die Nahrung für die Pflanzen aufbereiten, überflüssig. Was unterscheidet dann diese “Bio”- Produkte noch von den Konventionellen? Der gesundheitsinteressierte Konsument wird wieder mal nicht einbezogen oder oder wenigstens über die Zusammenhänge klar informiert, obwohl nachgewiesen ist, dass der viele Stickstoff die Gewässer belastet und im Körper zu Vergiftungen führen kann.
Unsere besten Ackerböden stehen unter enormem Siedlungsdruck. Wenn man aber plötzlich keinen guten Boden mehr bräuchte um gute Lebensmittel zu produzieren, könnte man mit gutem Gewissen dem Siedlungsdruck nachgeben, die Landwirtschaftszonen in gepflegte Naherholungsgebiete umfunktionieren und trotzdem in unmittelbarer Nähe der Konsumenten produzieren. Dank Urban Farming.

Von der Anbauschlacht zur Urban Farm zum Genossenschaftsgarten
Der Anbau in direkter Nähe der Konsumenten bringt viele Vorteile, allen voran Ernährungssicherheit und Qualitätskontrolle. Zudem wird der Nährwertverlust durch kurze Transportwege reduziert; Früchte zum Beispiel können bis zur vollen Reife an der Pflanze bleiben. Doch kann bodenloses Container Farming, bloss weil weniger Transportemissionen anfallen, eine Alternative zur Stadtnahen Landwirtschaft sein? Möchten wir wirklich zulassen, dass Bauern zu Landschaftsgärtnern verkommen und Ziel und Zweck der Landwirtschaft nicht mehr hergestellt werden können?
Die Konsumenten werden selber immer mehr zur Ware, zu Rädchen in einem grossen, sinnlosen Getriebe. Dabei sind Menschen Herdentiere und brauchen soziale Kontakte, haben ein grosses Bedürfnis nach Natur und, wie eingangs erwähnt, frischem Gemüse.
Not macht erfinderisch. Auf der ganzen Welt engagieren sich Menschen, vor allem junge Stadbewohner, für eine sozial verträgliche, nachhaltige Ökonomie als Alternative zum gewinnorientierten Geschäftsmodell der Multinationalen. Auf einer stillgelegten Eisenbahnlinie in Paris pflanzen Quartierbewohner ihre Gärtchen, auf dem stillgelegten Flugplatz Tempelhof in Berlin (13) entstand eine Allmend, ein verslumtes Quartier von Brooklyn, NY (14) wurde durch Gemeinschaftsgärten wieder bewohnbar gemacht und in Zürich ist der „Stadiongarten“ Teil der Zwischennutzung im Hardturms (15).
Da weiss man, was man hat…
Die Vertragslandwirtschaftsprojekte erfreuen sich steigender Beliebtheit (16). Die Hauptvorteile für die Konsumenten sind
Gesundes Gemüse
Frisch – direkt vom Feld ohne Zwischenlagerung
Im Kreislauf der Natur eingebettet
Saisonal und regional stimmig
Natürlich produziert und frei von Pestiziden
Mit Liebe gepflanzt und geerntet
Gesunde Produktion
Artenvielfalt
ohne chemisch synthetische Wirkstoffe
nachhaltiges Landwirtschaften in geschlossenen Kreisläufen im Einklang mit der Natur
Gesunde Wirtschaft
Die lokalen Bauern unterstützen
Kurze, optimierte Transportwege dank Depots
Umweltschonende Verpackung
Auch Food-Kooperativen (17) werden immer beliebter, und um den nächsten Hofladen zu finden gibt’s sogar eine App (18).
Die Gewinnsteigerung bei der bodengebundenen Lebensmittelproduktion ist limitiert (19). Die Versuchung, gewinnbringende, aber nicht unbedingt gesundheitsfördernde und unnötige „Veredelung“ zu betreiben steigt mit der Grösse des Wirtschaftskreislaufs. Unsere Wirtschaft basiert auf KMUs mit einer regionalen, nachvollziehbaren Versorgung, bei der Lieferant und Kunde (Produzent und Konsument) Partner sind (20).
Indem sich immer mehr Konsumenten in Landwirtschafts-kooperativen und –Genossenschaften engagieren wird der Kreislauf wieder übersichtlicher, die Qualität sicherbar und die Wirtschaft nachhaltig. Kleine, vielseitige, lebendige Kulturen fast ohne Maschinen statt grosser Monokulturen ohne Menschen.
Weiterführende Links:
- Vertical farming: the only way is up, Artikel von Sarah Beane auf “newbiescience” >>>
- Der Schweizer Biomarkt – ein Überblick. PowerPoint Präsentation von Beratungsfirma Bossert Richter >>>
- ARTE: die Bio-Illusion >>>
- ARTE: Grüne Städte: Film über die urbane grüne Revolution auf arte >>>
- Food Links – 3 stakeholder Gruppen (Policy makers, Wissenschafter und NGOs) netzwerken für sustainable food consumption and production >>>
Urban Food Strategies – a rough guide to sustainable food systems, erarbeitet von Food Links >>> - Vertical Farms sprouting all over the world, new scientist, Jan 14 >>>
- stopp Hunger: Die Victory Gardens (Amerikanisches Pendant zu unserer Anbauschlacht) standen Pate für ein Projekt in Detroid >>>
- Food Urbanism Initiative >>>
Farming “Typologien”– auf dem Dach, Balkon, Bushaltestelle, … >>> - Kultur und Politik, 2009, Heft 3, Der Mensch ist was er isst (Seite 16) und Energie und Landwirtschaft (Seite 26) >>>
- WIN4 in der Landwirtschaft: Verbesserungen in den Dimensionen Ökologie, Soziales und Ökonomie, erschienen in „Agrarforschung Schweiz“, 5(2), 64-67, 2014 >>>
- Stadtgemüse. Die Ausstellung im Mühlerama >>>
- Regionale Vertragslandwirtschaften in Ihrer Nähe, Artikel von agrarinfo >>>
- Stickstoff und die Landwirtschaft, im agrarinfo-Artikel “Der Bundesrat will keine neue Steuer” >>>


