Medien wie Bevölkerung scheinen überfordert. Der Bundesrat hat über 350 Seiten Verordnungen in die Vernehmlassung geschickt. Uniterre Genf und Zürich haben das Referendum lanciert, der SBV hat sich dagegen ausgesprochen aber der Schaffhauser Bauernverband ist dafür, … „wenigstens hat man ein Bild, wie‘s für 4 Jahre gehen soll“ sagen sie. Aber es geht nicht nur um die Bauern, es geht auch um die Konsumenten. Es geht um die Versorgung und die Lebensqualität und die geht alle etwas an.
Ich möchte verstehen, und fragte Jakob Alt, Landwirt und Co-Präsident von uniterre.
Seine spezifischen Antworten auf die Gegenargumente zum Referendum finden Sie im Artikel „AP 14-17, ein Papier, das weder Erde gerochen noch Sonne gespürt hat“. Hier soll die AP (14-17) möglichst ganzheitlich dargestellt werden. Für den Co-Präsidenten der Organisation uniterre stellte sich die Frage „Referendum ja oder nein“ nicht. Geduldig hat er mir erklärt wieso (Fragen in kursiv, seine Antworten in Normalschrift):
Die Agrarpolitik ist kompliziert.
Der Agrarfreihandel scheint nicht zu verhindern zu sein, das Prädikat „aus ökologischer Produktion“ könnte als „Alleinstellungsmerkmal“ (USP) für Schweizer Produkte verkaufsfördernd wirken. Der Schweizer Bauer soll Unternehmer sein. Die Idee – nicht nur wegen der zunehmenden Reglementierungen und den administrativen Arbeiten – ist verrückt:
Die Natur kann man nicht managen und nicht industriell betreiben. Das bäuerliche Denken ist auf eine natürliche Ernährung ausgerichtet und auf Nachhaltigkeit. Ein Unternehmer muss Gewinn machen. Auf dem Boden kann man langfristig nur im Einklang mit der Natur gesunde Lebensmittel machen. Der Boden, die Humusschicht setzt der Mechanisierung Grenzen. Ich will Rücksicht nehmen auf Boden, Klima, Umwelt.
Der Unternehmer-Bauer bleibt eine Ausnahmeerscheinung, weil Wachstum, so wie das von der Wirtschaft her bekannt ist, nur auf Kosten des Nachbars möglich ist. Dabei hat der Weltagrarbericht klar aufgezeigt: wir brauchen eine andere Form der Landwirtschaft wenn wir den Planeten nachhaltig ernähren wollen.
Weshalb läuft unsere Agrarpolitik in eine völlig andere Richtung? Wir haben es bis jetzt nicht geschafft, die Bevölkerung damit zu konfrontieren. Wollen die Stimmbürger eine Landwirtschaft, wenn sie wissen, dass nur eine bäuerliche Landwirtschaft, bei der die Versorgung im Vordergrund steht und die nicht industriell betrieben werden kann, sinnvoll ist?
Aber die AP 14-17 ist doch pro-Bio?
Eine wirklich nachhaltige Ökologisierung kann nur im Gleichschritt mit der Lebensmittelerzeugung einer bäuerlichen Landwirtschaft geschehen. Die AP 14-17 trennt Ökologie und Produktion, scheint sie sogar gegeneinander auszuspielen.
Soll’s doch mal einer dem Volke erklären, dieses Paket, auf dass es die Mehrheit verstehe, begreife, als einleuchtend, richtig, zumutbar und gut befinden könnte.
Konkret heisst das, …
Multifunktionalität in der Landwirtschaft, einst hochgelobt, verschwindet sang- und klanglos und wird klammheimlich durch Abgeltung klar definierter Dienstleistungsprodukte ersetzt. Anpassungs- und Übergangsfristen verschleiern den Wandel.
Woher die Kaufkraft zur Finanzierung dieser dubiosen Leistungen kommen soll, ist ungeklärt: Landschaftspflege als staatlich gelenkte Umweltdienstleistung kann sich nur eine Wohlstandsgesellschaft leisten, welche die Kaufkraft anderswo herholt. Landschaftspflege erfordert anderes Wissen und andere Maschinen. Beides stünde später für eine allfällige Rückorientierung nicht mehr zur Verfügung.
Mit der AP 14 / 17 verringern wir unsere Eigenversorgung zu Gunsten reiner Landschaftspflege. Diese Schönwetterstrategie schafft Abhängigkeit. Die eigene kulturfähige Bodengrundlage nicht zu nutzen oder gar zu zerstören und auf billige fremde Märkte zu spekulieren ist unklug, kurzfristig und angesichts des Welthungers unsolidarisch.
Was sind unsere Vorteile einer eigenen Landwirtschaft?
- Eine eigene Landwirtschaft bewahrt uns vor zu grosser Abhängigkeit. Denn, je globaler die Märkte umso volatiler sind sie. Die Versorgung mit Lebensmitteln aus der Nähe gehört zu unserem täglichen leiblichen Wohl. Wenn Märkte wegen politischen oder Umweltkrisen nicht mehr funktionieren nützt uns die Kaufkraft nichts mehr (wie vor weniger als 100 Jahren gehabt… auf http>>> ).
- Qualität und Frische bieten nicht nur Genuss sondern stärken unsere Gesundheit. Denn die Herz- und Kreislaufkrankeiten machen den Löwenanteil an den 60 Mrd.Fr. aus, die uns eine ungenügend frische zu stark verarbeitete Ernährung jährlich kostet.
Gesünder essen heisst – sich mit einer eigenen Landwirtschaft aus der Nähe frisch versorgen. - Eine nachhaltig und vielfältig bewirtschaftete Landschaft in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Wohnquartieren immer eine Augenweide und lädt zur Naherholung ein.
- Eine vielfältige eigene Landwirtschaft ermöglicht auch ein Zurück zu einer Bodenbewirtschaftung, welche den Humusgehalt wieder erhöht und einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung des Klimas leistet.
- Eine eigene Landwirtschaft hilft zukünftige Formen von Gesellschaft und Wirtschaft zu verwirklichen, wo eher mehr Menschen in der Landwirtschaft Beschäftigung und auch neue entschleunigte Daseinsformen bis zu Therapie für Körper und Geist finden können
- Alternative zu Importnahrungsmitteln: In ein paar Jahren werden wir Teil sein vom weltgrössten Freihandelsraum (EU-USA-Japan). Mit genetisch manipulierten Nahrungsmitteln als Standard. Nur eine eigene, gentechfreie Landwirtschaft offeriert unseren Konsumenten eine Alternative.
Der Wert, den der Konsument bereit ist für Lebensmittel zu zahlen, ist kleiner als ihre Erstellungskosten. Also geht die betriebswirtschaftliche Rechnung nicht auf.
Der Steuerzahler zahlt die Differenz …
Die Unterstützung, die die Landwirtschaft vom Staat erhält ist vernachlässigbar verglichen mit den voran erwähnten Konsequenzen, die eine gut funktionierende, ökologisch und sozial nachhaltige Landwirtschaft haben würde. Allein die erwähnten Einsparungen bei den Krankheitskosten übersteigen den Aufwand für die Landwirtschaft um ein Vielfaches.
Die Bauern versuchen, Ihr Unternehmertum zu stellen, aber der Zyklus mit der Natur erlaubt keinen Renditezwang mit stetigem Gewinnwachstum. Das steht im Gegensatz zum wirtschaftlichen Renditezwang. Genug statt immer mehr. Fair trade, auch im Inland.
Die Aufgabe der Landwirtschaft ist u.a. im Artikel 104 deutlich geregelt. Es heisst, dass der Bund dafür zu sorgen hat, dass die Landwirtschaft durch eine nachhaltige und auf den Markt ausgerichtete Produktion einen wesentlichen Beitrag zur sicheren Versorgung der Bevölkerung zu leisten hat. Direktzahlungen wurden als produktionsunabhängige Einkommenszahlungen akzeptiert, um den WTO-Vorgaben zu entsprechen.
Die „Weiterentwicklung der Direktzahlungen“ macht aus den Bauern Landschaftsgärtner und/oder Unternehmer. Beides ist bei weitem nicht ideal für unsere Ernährungssouverenität.
Was wollen die StimmbürgerInnen? Man muss sie fragen. Und bedenken, dass das neue, das „Biosystem“, auf Grossbetriebe und Labels setzt. Bis heute basierte unser System auf Familienbetrieben, die Konsumenten vertrauten den Produzenten. Wird der Schweizer Konsument Labels das gleiche Vertrauen schenken? Verkaufen die Grossverteiler Bio-hierproduziert besser als Bio-importiert? Kaum. Also sind die inländischen Labels ein reiner Marketing-Gag.
Die Westliche Welt ist basiert auf Wachstum
Natürliche Ressourcen erlauben nicht das Wachstum, das mineralische Ressourcen ermöglichen. Wirtschaftliches Wachstum der Lebensmittelproduktion geht auf Kosten eines steigenden Rohstoffverbrauchs, d.h. die Zerstörung der natürlichen Ressourcen
Die Entschädigung von Umweltleistungen bringt dem Steuerzahler keine finanzielle Entlastung – diese gibt es nur, wenn die Lebensmittelproduktion durch billigeren Import ersetzt wird und die „Umweltleistungen“ direkt an die schneller wachsenden Erträge der Metropolen angehängt werden. Dazu muss aber die Landwirtschaft weiter weichen und in „billigere Gebiete“ verlegt werden.
Freihandel ist eine logische Folge unseres Wirtschaftssystems
Freihandel verspricht Wachstum, aber mit dem aktuellen Reformkonzept zum vollständigen Freihandel droht die Lebensmittelproduktion der Schweizerischen Landwirtschaft einzubrechen. Das Wissen ginge innert kurzer Zeit verloren und die Infrastruktur würde aufgegeben. Beides würde eine schnelle Rückumstellung verhindern.
Sie machen ein Referendum, die Kleinbauernvereinigung eine Petition an den Bundesrat – Die Verordnungen sind in der Vernehmlassung, weshalb nicht durch Stellungnahme Einfluss nehmen?
Die nötigen Änderungen sind zu gross; in der Vernehmlassung geäusserte Bedenken riskieren bis zum Nicht-mehr-Erkennen verwässert zu werden.
Wie bereits erwähnt, es geht um einen Grundsatzentscheid: Wollen die StimmbürgerInnen eine Landwirtschaft (die braucht Unterstützung) oder wollen wir keine.
Wie weiter?
Für eine partnerschaftliche Kommunikation brauchen wir eine gemeinsame Sprache. Das ermöglicht positive Kontakte. Wir geben Geschichten weiter, zeichnen Bilder, stellen Bezüge her. Wir wollen niemanden belehren, es gibt kein „ richtig-falsch“. Junge wollen nicht belehrt werden, aber sie streben eine nachhaltige Lebensqualität an.
Wie weiter?
a) KonsumentInnen, die weiter lokale, nachhaltig produzierte Lebensmittel wollen organisieren sich in Vertragspartnerschaften, zum Beispiel als Konsumenten-Produzenten Genossenschaften.
b) Die Menschen wieder näher zum Boden bringen, mit Schülergärten und –äckern. Damit die Kleinen Boden unter den Füssen haben.
Die Vertragslandwirtschaft bietet den kürzesten Weg vom Produzenten zum Konsumenten und wegen der direkten Kommunikation wird Angebot und Nachfrage aufeinander angepasst und bietet auch für Schulprojekte ein ideales Umfeld.






