Raumplanung – wieso?
Als der Wohnraum in den Städten enger wurde, die Versorgung in der Grossstadt eine logistische Herausforderung und die Arbeitszeiten in den Fabriken kürzer, wurde die Menschen regelrecht dazu aufgefordert, immer mehr ausserhalb der Ballungszentren zu bauen. Umsomehr als die bevorstehende Ausgestaltung des Verkehrs mittels besserer Indienstnahme der Elektrizität die Zugänglichkeit auch entfernterer Wohnorte zu heben vermag. Schon damals (1919) war allerdings klar, dass ein etwaiges Wachstum der grossen Orte in volkswirtschaftlich gesunde Bahnen gelenkt werden muss. (2)
Eine Generation später schon war die Landwirtschaft in eine unhaltbare Situation geraten. Die Landesplanung sei daher verpflichtet, im Interesse der gesamten Volkswirtschaft Massnahmen vorzuschlagen, welche einerseits den Fortbestand der Landwirtschaft sichern, anderseits dafür sorgen, dass diese nach ökonomischen Prinzipien wirtschaften kann. Nebst der Einführung von Landwirtschaftszonen wurde eine Ergänzung der Bundesverfassung in dem Sinne gefordert, dass der Bund auf eine zweckmässige und möglichst ausgeglichene Besiedelung der Schweiz Rücksicht zu nehmen und diese zu fördern hat. Dazu sollte eine Stelle geschaffen werden, in der die Kantone, Gemeinden, die Wirtschaft und die Wissenschaft vertreten sind, um alle Belange des Bodenrechtes und der Bodenpolitik ständig zu prüfen und auf ein koordiniertes Vorgehen nach einem klaren Konzept hinzuwirken. (3)

Das wurde dann auch im Gesetz verankert: 1980 wurde das Raumplanungsgesetz (RPG) eingeführt, wonach Bund, Kantone und Gemeinden dafür zu sorgen haben, dass der Boden haushälterisch genutzt und das Baugebiet vom Nichtbaugebiet getrennt wird. Sie haben ihre raumwirksamen Tätigkeiten aufeinander abzustimmen und eine auf die erwünschte Entwicklung des Landes ausgerichtete Ordnung der Besiedlung zu verwirklichen. Dabei sollen sie sowohl auf die natürlichen Gegebenheiten wie auch auf die Bedürfnisse von Bevölkerung und Wirtschaft achten. (4)
Ergänzt wird das RPG mit eidgenössischen Konzepten und Sachplänen, mit behördenverbindlichen Richt- und grundeigentümerverbindlichen Nutzungsplänen, diversen Erlassen, Weisungen und Verordnungen. (5) Die erste Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG I) ist am 3. März 2013 durch die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger angenommen und am 1. Mai 2014 in Kraft gesetzt worden.
Der Vollzug bleibt mangelhaft. Da würde auch ein Paradigmenwechsel vom bisherigen offenen Koordinationsprozess zu einer obrigkeitlichen, zentralisierten Verwaltungsplanung, wie er für die 2. Revision des Raumplanungsgesetzes vorgeschlagen wird, kaum helfen. (6)
Der Bundesrat will das Kulturland besser schützen, Verkehrs- und Energieinfrastrukturen frühzeitiger auf die Raumentwicklung abstimmen und die grenzüberschreitende Raumplanung fördern, um gegen die Zersiedelung der Schweiz vorzugehen. (7) Dazu präsentierte er eine unausgereifte, den verfassungsmässigen Rahmen überschreitende Vorlage (8), die gründlich überarbeitet und auf wenige, dafür wichtige Themen wie das Bauen ausserhalb der Bauzonen und den Kulturlandschutz reduziert werden sollte (9). Auch sei der Handlungsbedarf nicht ausgewiesen (10) und bereits während der Vernehmlassung wurde bekannt, dass die Revision vorerst sistiert sei.

Raumplanung – wer profitiert?
Raumplanung dient dem Gemeinwohl. Grosse Waldrodungen oder Monokulturen beeinflussen das Klima und Bauten von allgemeinem Interesse, z.B. Strassen, stehen über den Interessen der Grundbesitzer. Das sollten Letztere berücksichtigen, auch wenn man „auf den ersten Blick geneigt sein (könnte), die Auffassung zu vertreten, dass es sich beim Boden um eine juristische Sache par excellence handle und dass deshalb der Eigentümer über sie völlig nach eigenem Gutdünken solle verfügen können. ….“ (11)
Das volkswirtschaftliche Wachstum der Schweiz beruht heute zum grössten Teil auf dem Immobilienwachstum. Und da das Wirtschaftswachstum für unseren Wohlstand ebenso wichtig sei wie die Umwelt, müsse die Raumplanung Raum für wirtschaftliche Entwicklung lassen. (12)
Der Vorschlag, hauptsächlich die Entwicklung der drei Metropolitanräume zu Lasten der föderalen Raumstruktur zu fördern, geht in diese Richtung. Doch er vernachlässigt drei der vier Verdichtungsdimensionen und den Schutz von qualitativ hochstehendem Kulturland.

Raumplanung – wie weiter?
Für eine nachhaltige Entwicklung brauchen wir Strukturen, die sich nicht am Wirtschaftswachstum orientieren. Strukturen mit genügend Kulturland, um die Ernährungssicherheit zu garantieren – aber auch Erholungsraum für die Bevölkerung.
Der kostengünstigste Erholungsraum ist bewirtschaftetes Kulturland. Nicht jeder Boden ist geeignetes Kulturland, aber die besten Böden des Mittellandes, zwischen den Metropolitanräumen, gehören dazu. Es sind gewachsene Böden mit entsprechender Gründigkeit, Struktur, Neigung usw., die über längere Zeit hohe Erträge liefern können, ohne dass der Boden dabei Schaden nimmt. (13)
Zwar existiert ein Sachplan Fruchtfolgeflächen (SP FFF) (14), doch es ist nicht definiert, welche Mindestqualitäten diese Flächen haben müssen. Die quantitativen Flächenvorgaben müssen dringend mit qualitativen Grenzwerten ergänzt werden. Sonst ist es nicht möglich, die Fruchtfolgeflächen des Bundessachplanes verbindlich zu definieren und zu schützen. Im Gegenteil, die (im Moment sistierte) Revision des RPG schlug sogar vor, dass, falls ein Vorhaben „Wichtige Ziele“ verfolge, FFF überbaut werden dürfen – sofern sie kompensiert würden. Nehmen wir nun aber an, dass heute die besten Böden als Fruchtfolgeflächen deklariert sind, heisst das, dass weniger gute Böden zu FFF befördert werden.
Eine sorgfältige Analyse der Vollzugsprobleme in der Raumplanung kann die Grundlagen schaffen, die nötige Verdichtung in allen vier Dimensionen – funktional, sozial, baulich und historisch – anzugehen. (15).

© Schweizerische Vereinigung für Landesplanung, „Gedanken zum Bodenrecht und zur Bodenpolitik“ Schriftenfolge Nr. 7, Herbst 1963. Hier abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der SVL
Weiterführende Links:
1: Dr. Wanners Vortrag an der Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Statistik und Volkswirtschaft am 27. Mai 1949
2: Agrar- und Siedlungs-Probleme von Grosswinterthur, Von Dr. Hans Bernhard, 1919
3: Aufsatz Gedanken zum Bodenrecht
4: Bundesgesetz über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG)
5: Vademecum Raumplanung
6: SVIL zur Vernehmlassung
7: Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG) – 2. Etappe
8: Medienmitteilung der BPUK vom 4.5.15
9: Stellungnahme zu RPG 2 der VLP-ASPAN
10: Vernehmlassung zum Entwurf der zweiten Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes von economiesuisse
11: Grundeigentum und Raumplanung, Prof. Dr. Emil Küng, Sonderdruck aus “Wirtschaft und Recht” 1963
12: Economiesuisse Faktenblatt (2011): Raumplanung, „Raum für wirtschaftliche Entwicklung lassen”, Seite 2
13: Ausführlicher Artikel auf agrarinfo: Was sind Fruchtfolgeflächen
14: Bundessachplan Fruchtfolgeflächen
15: Artikel auf agrarinfo: Vierfach verdichten
Raumplanungsverordnung
Vorgeschlagene Raumplanungsgesetzesrevision
Bodenkarte der Schweiz
BPUK Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz
Schweizerische Vereinigung für Landesplanung VLP-ASPAN
Buch „Die ausgewechselte Landschaft“
Aufsatz: Besiedelung von Neuland (1949)
Aufsatz: Agrar- und Siedelungsprobleme (1919)
Aufsatz: Gedanken zum Bodenrecht (1963)
Aufsatz: Volkswirtschaftliche Gesichtspunkte im Bodenrecht (1949)
Viewer Zeitreise


