Kein Wohlstand ohne Wachstum lautet das Credo der Wirtschaft. Grosskonzern Nestlé z.B. möchte sich nach 4.6 Prozent Steigerung 2013 in diesem Jahr um weitere 5 Prozent vergrössern (1). Aktionäre profitieren: die Rendite liegt seit Jahren bei über drei Prozent (2). Auch die Aktienkursanstiege von Tesla mit einer Verfünffachung im letzten Jahr sind gigantisch, und Twitter wurde beim Börsengang für einen Monat zum Superstar.
Die Natur hat eine noch fünfzehnmal bessere Performance: Aus einem Weizenkorn wächst innert zehn Monaten eine Pflanze mit 25–40 Körnern (3). Behält man davon zwei, um sie wieder auszusäen, bleiben durchschnittlich 30 Körner für Brot und Pasta. Eine solche Rendite ist auf den ersten Blick exorbitant: Aus 1 mach 30 innerhalb von weniger als einem Jahr – doch es ist eine Rendite ohne Wachstum. Ursprünglich war die dezentrale bäuerliche Landwirtschaft eine konsumentennahe Produktion. Die Transportwege waren kurz, die Nachfrage stabil, Geld ein Tauschmittel. Seit der Industrialisierung wurden Konzentration der Produktion, längere Transportwege, Handel und Dienstleistungen immer wichtiger, die Geldwirtschaft entwickelte sich immer weiter weg von der Realwirtschaft. Grenzenloses Wachstum ist in einer Welt begrenzter Ressourcen nicht möglich, der Mensch ist zum Rohstoff geworden. Unsere Nahrungsmittel werden künstlich verteuert, denn jeder will Gewinn machen, und dieser wird in Geld gemessen. Geld existiert fast nur noch auf dem Papier und ist fast beliebig vermehrbar. Mehr ist besser. Moderne Weizensorten versprechen Erträge bis zu zehn Tonnen pro Hektar, während Schweizer bio-Weizen „nur“ eine Ernte von 4-5 t/ha ergibt. Der Boden wird durch Dünger, Herbizide und Pestizide (4), durch Monokultur und Übernutzung irreversibel zerstört. Zwar wird nur ein Hektar benötigt, um sechs Tonnen Weizen zu produzieren, aber die Fläche ist während fast einem Jahr blockiert. Dazu kommen die Kosten von Saatgut, Aussaat, Ernten und Dreschen, Pflanzenschutzmitteln und Maschinen, bevor das Korn überhaupt zum Müller kommt und das Mehl schlussendlich zu Pasta verarbeitet wird. Ein Kilo davon kostet am Ende beim Grossverteiler etwa zweieinhalb Franken, ein Teller Spaghetti mit Sauce im Restaurant über zehn. Aber Preis ist nicht gleich Wert. Das starke Wachstum der letzten Jahrzehnte in den Industrieländern führte nicht zu einem allgemeinen Anwachsen der Zufriedenheit.
Was ist mit dem Versprechen vom Glück, das uns die Konsumgesellschaft gemacht hat?
Ist weniger vielleicht mehr? Die UNO hat das Jahr 2014 offiziell zum Internationalen Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe erklärt (5). Unter dem Motto „Wir ernähren die Welt und tragen ihr Sorge“ soll ihre Bedeutung – Produktion von mehr als 70% aller Lebensmittel weltweit! (6) – den Konsumenten bewusst gemacht und der Direktverkauf gefördert werden. Angesichts von Wirtschaftskrise und Klimawandel ist eine Bewegung entstanden, die nach Weiterentwicklungsperspektiven und Möglichkeiten zum Ausstieg aus dem zerstörerischen Wachstum sucht. Selbstversorger, Genossenschaften, urban farmers, Balkon- und Schrebergärtner investieren ihre eigene Arbeit und Zeit und erhalten dafür einen vielfachen ROI (return on investment) – nicht nur in Form von landwirtschaftlichen Produkten, sondern auch an mehr Lebensqualität. Nachhaltigkeit bedeutet nicht auch unbedingt Verzicht. Am Ende der Rechnung ist der Geldgewinn für den Landwirt etwa gleich wie im industriellen Landbau. Konsumentennahe, natürliche Landwirtschaft hat zwar eine kleinere Geldrendite, aber auch weniger Nebenkosten – und der Wert für Natur und Gesundheit ist viel höher.
Weitere interessante Links: http://www.sein.de/gesellschaft/neue-wirtschaft/2011/die-gesellschaft-ohne-wachstum.html
Bilderquelle: http://www.cash.ch/boerse/kursinfo/fullquote/Nestle/3886335/380/1


