Trotz steigender Produktivität verdienen Schweizer Bauern und Bäuerinnen immer weniger und die Lebensmittelpreise steigen. Die Produktivitätsgewinne werden vor allem von Migros und Coop abgerahmt.
Die Schweizer Bäuerinnen und Bauern sind ein eigenes Völkchen. Sie schuften 7 Tage pro Woche so hart, wie kaum jemand sonst im Land. Ferien, Ausgang, freie Wochenenden können sich insbesondere Kleinbauern und Bäuerinnen weitgehend abschminken – und doch gehören sie zu den am stärksten motivierten Erwerbstätigen im Lande. Und das für ein Einkommen, dass mit durchschnittlich 3200 Franken pro Monat nur knapp über dem üblichen Sozialhilfesatz liegt. Das, vor allem in den Städten verbreitete, Zerrbild des bequemen Subventionsritters könnte falscher nicht sein. Sicher, die Schweizer Landwirtschaft ist international eine der am stärksten staatsgestützen. Aber eben auch die wohl qualitativ höchstwertigste, mit dem grössten und strengsten Biosektor, dem besten Tierschutz und den fortschrittlichsten und Nachhaltigsten Produktionen der westlichen Welt. Zum Vergleich: Was in Deutschland Bio heisst, geht hierzulande gerade mal als «Integrierte Produktion» (IP-suisse) durch.
Mehr Produktivität, weniger Verdienst
Doch wer den Bauern und unserer «Luxuslandwirtschaft» die Schuld für die hohen Lebensmittelpreise anlasten möchte, ist gewaltig auf dem Holzweg. Denn auch in Sachen Produktivitätssteigerung müssen sich die Schweizer Bauern nichts vorwerfen lassen. Trotz der erwähnten – und vom Stimmvolk mehrfach geforderten – scharfen Richtlinien für Bioprodukte und Tierschutz, ist die Produktivität der Schweizer Landwirtschaft seit den 90ern eklatant gestiegen. Milch und Getreide werden mittlerweile zu ähnlichen Erzeugerpreisen produziert, wie im benachbarten Ausland und billiger, als zum Beispiel in Afrika. Nur für die Bauern bleibt dabei nichts hängen. Ihr Einkommen ist rund 30 Prozent niedriger als 1990.
nach obenDer Einzelhandel treibt die Lebensmittelpreise
Diesen Frühling hat das SECO mehrere Studien zur Landwirtschaft publiziert. Insbesondere wurde nach den Ursachen für die hohen Lebensmittelpreise gesucht, die zusehends auch den Schweizer Mittelstand zum Einkaufstourismus ins benachbarte Ausland treibt. Doch die hohen Lebensmittelpreise sind nicht den mit Schutzzöllen und Direktzahlungen unterstützten Bauern geschuldet, sondern dem Einzelhandel und den Nahrungsmittelverarbeitern.
Laut Professor Dr. Matthias Binswanger von der FHNW und der HSG besteht die Wertschöpfungskette in der Schweizer Lebensmittelproduktion zur Hauptsache aus den Stufen Landwirtschaft, Nahrungs- und Genussmittelindustrie sowie Handel. Der Anteil der Landwirtschaft an der inländischen Wertschöpfung beträgt zwischen 10 und 15 Prozent, während der Anteil des Handels bei 50 Prozent liege.
Natürlich kann die Schweizer Landwirtschaft im direkten ungeschützten Konkurrenzkampf mit unökologischen und industriellen Landwirtschaften wie Brasilien, den USA oder China (um nur drei Beispiele zu nennen) preislich nicht mithalten. Aber die eigentliche Ursache der hohen Lebensmittelpreise sind die exorbitanten Handelsmargen von Nahrungsmittelverarbeitern und Einzelhandel.
nach obenMigros und Coop hauptverantwortlich
Migros und Coop haben Handelsmargen von 40 respektive 30 Prozent. Das Migros eine noch höhere Marge hat, als Coop, liegt daran, dass die Genossenschaft auch über zahlreiche Verarbeitungsbetriebe verfügt, wogegen Coop bei externen Anbietern einkaufen muss. Zum Vergleich: Die Handelsmargen bei anderen europäischen Einzelhandelskonzernen schwanken zwischen 25.5 Prozent (REWE; Deutschland), 20 Prozent (Carrefour Frankreich) 10 Prozent (Edeka, Deutschland) oder sogar nur 3,8 Prozent (Morrisons, UK).
Die überdurchschnittlichen Margen haben eine zusätzliche Ursache mit der überwältigenden Marktmacht der beiden Genossenschaftskonzerne, die Ursprünglich zum Schutz der Bauern und Konsumenten gegründet wurden. Zusammen kontrollieren Migros und Coop noch immer 70 Prozent des Lebensmittelhandels in der Schweiz.
nach obenDuopol statt Marktwirtschaft
Sie können der Landwirtschaft also mehr oder weniger die Preise diktieren. Die Bäuerinnen und Bauern haben im Vergleich zu anderen Ländern kaum Ausweichmöglichkeiten. Und die Verlagerung der Wertschöpfung von den Produktions-, zu den Verarbeitungsbetrieben geht ungemindert weiter. Die Einkommen der Bauern sinken, die Konsumentenpreise steigen.
Auch WEKO-Vizedirektor Patrik Ducrey ist dieses «faktische Duopol» ein Hauptgrund für hohen Lebensmittelpreise in der Schweiz.
Angesichts dieser Fakten von den Bauern mehr Produktivität, Wettbewerb und Marktwirtschaftlichkeit zu verlangen, wie es der Bundesrat ständig tut, und zusätzlich durch neue Freihandelsabkommen die Marktsituation der Schweizer Landwirtschaft weiter zu erschweren ist entweder sträflich dumm oder schlicht zynisch.
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