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Elend Veredelung

Die Schweiz ist nicht ganz zu unrecht stolz auf ihren hohen Anteil an biologisch und tierfreundlich produzierten Nahrungsmitteln. Doch nur zu oft werden die Vorteile des Biolandbaus durch absurde Lebensmitteltransporte zunichte gemacht.

Die Schweiz gehört zu den führenden Ländern in Sachen biologische und tierfreundliche Nahrungsmittelproduktion. Doch sie ist weit davon entfernt sich selbst mit Lebensmitteln versorgen zu können. Rund die Hälfte des Warenangebotes stammt direkt aus Importen. Und das ist ohne massive Einschränkungen im Speiseplan oder einen umfassenden Umbau der Landwirtschaftauch nicht massgeblich zu ändern.

  • Das grösste Problem beim Nahrungsmittelimport ist der Energieverbrauch.

    Gegen Importe aus benachbarten europäischen Regionen ist denn auch nicht grundsätzlich etwas auszusetzen. Selbst Wein aus Übersee ist grundsätzlich nicht vie auszusetzen, weil die Verarbeitung dirtekt vor Ort und der energieeffiziente Transport per Schiff kaum mehr Energie verbraucht, als die innerschweizerische Hin- und Herfahrerei von beispielsweise Walliser Chasselas. Aber brauchen wir wirklich «marktfrische» Weintrauben aus Indien, Spargel aus Peru, Rindfleisch aus Nord- und Südamerika, Lauch aus der Türkei und Kartoffeln aus Israel? Die Energiebilanz eines Menus mit solchen Zutaten ist gut fünfmal schlechter, als die, eines, aus regionalen und saisonalen Zutaten.

    Je regionaler und saisonaler wir einkaufen, um so besser die Ökobilanz unseres Speiseplans. Vor allem wenn wir biologische Produkte aus bäuerlicher Landwirtschaft bevorzugen. Und von ein paar Orangen oder Mangos ab und an, geht die Welt nicht unter.

  • Gutes Geld für dreckige Transporte

    Aber auch die konsequenten und bewussten Konsumenten zahlen gutes Geld für dreckige Transporte von sauberen Lebensmitteln. Angefangen beim Fleisch. Selbst in der Biotierhaltung stammen 80 Prozent des Kraftfutters aus dem Ausland. Im Falle von Soja vornehmlich aus Brasilien, wo der Urwald zugrunde gerodet wird, um Weide- und Anbauflächen für Futtergetreide zu schaffen. Und 70 Prozent des Schweizer Schlachtviehs muss 8 Stunden oder länger die Tortur der Tiertransporte ertragen. Massive Überschreitungen dieser gesetzlichen Maximaltransportzeit sind immer noch an der Tagesordnung. Dass die zulässigen Transportzeiten in Randregionen nicht immer eingehalten werden, bestätigt auch der Bündner Kantonstierarzt Rolf Hanimann gegenüber SRF. «Weil es auf diesen langen Transportrouten immer wieder Zwischenfälle geben kann wie Schlechtwetter oder Stau, welche die Transporte verzögern.» Überschreitungen von einigen Stunden seien keine Seltenheit.

    Grund seien die mangelnden Schlachtkapazitäten. Zwar gibt es noch 5000 Betriebe mit Schlachtung in der Schweiz. Aber 90 Prozent der Schweizer Rinder werden – Bio oder nicht – werden von den 25 grössten Betrieben im Mittelland geschlachtet. Denn: Es gibt gerade in den Berggebieten einen hohen Anteil an Label-Produktionen. «Wenn ein Bauer nach Label produziert, gibt es Produktions-Richtlinien. Und diese sagen auch, wer der Abnehmer ist. Ergo sagt auch der Abnehmer, wo geschlachtet wird.» Deshalb würden Rinder aus dem Engadin beispielsweise nach Oensingen im Kanton Solothurn, nach St. Gallen, Basel oder gar ins waadtländische Estavayer gefahren und dort geschlachtet.

    Bei vielen regionalen Produkten muss man sich zudem fragen, wie schweizerisch sie noch sind, wenn sie zur Verarbeitung hunderte oder tausende Kilometern durch Europa gekarrt werden. Der Apfelmusproduzent Volg lässt beispielsweise Schweizer Äpfel 400 Kilometer per LKW nach Frankfurt transportieren um sie dort zu Apfelmus verarbeiten zu lassen und anschliessend wieder 400 Kilometer zurück. Da kann man noch so biologisch anbauen, Öko ist das kaum noch.

  • Beispiel Dosenrahm

    Der Dosenrahm der Migros (die auch indische Trauben als marktfrisch verkauft), legt sogar (hin und zurück) 1400 Kilometer zurück, weil er in Belgien verarbeitet wird. Noch 100 Kilometer länger ist der Emmi-Dosenrahm nach Italien und zurück unterwegs.

    Das dies ökologischer Unsinn ist, ist allen beteiligten klar. Aber laut Emmi-Leitung rechnet sich der stinkende Fernverkehr halt betriebswirtschaftlich. Weil der Transport durch übermüdete, unterbezahlte Cammioneure letztlich billiger kommt, als den Rahm vor Ort zu verarbeiten.

    Jon Pult von der Alpeninitiative möchte die Regeln so ändern, dass es sich für die Unternehmen nicht länger lohnt, Waren so weit zu transportieren: «Der Lastwagenverkehr verstopft unsere Strassen, führt zu Gesundheitsproblemen, verschärft das Klimaproblem und erhöht die Kosten für die Infrastruktur. Es ist wirklich schlecht für die Gesellschaft, Volkswirtschaft und auch für die Umwelt.» Immerhin wird den so «veredelten» Produkten wegen der neuen Swissness-Regelung künftig das Schweizerkreuz auf der Packung entzogen. Das wird Emmi und Migros freilich nicht davon abhalten, den Sprührahm im Ausland zu verarbeiten. Das Marktvolumen in der Schweiz ist einfach zu klein. Allein der Italienische Milchverarbeitungsbetrieb verarbeitet den Rahm aus 50 Ländern.

  • Veredelungsverkehr zur Wertschöpfung

    Mehr als die Hälfte aller Güter die zwischen der Schweiz und dem Ausland hin und her transportierte werden sind Lebensmittel. Laut Zoll-Statistik wurden vor gut zehn Jahren knapp 11‘000 Tonnen Waren exportiert, verarbeitet und wieder importiert. Solche «Reimporte» hatten sich bis 2015 auf über 33‘000 Tonnen verdreifacht!

    Im Zeitalter der Globalisierung werden Produktionsschritte ausgelagert und in wenigen, industrialisierten Anlagen zentralisiert. Kommen niedrigere Löhne und Währungsschwankungen schaffen zusätzliche Anreize für unsinnige Lebensmitteltransporte.

    Ein besonders drastisches Beispiel für die Veredelungstransporte in europäischem Massstab ist der holländische Tomatenhhandel:

    Warum, erklärt die Holländisch/Deutsche Journalistin und Buchautorin Annemieke Hendriks, die jahrelang die verschlungenen Wege der Tomate verfolgte. Etwa zwei Drittel der europäischen Tomaten werden in Spanien und Italien produziert. Aber die werden mehrheitlich nicht frisch exportiert, dafür sind sie gar nicht geeignet. Die Italiener und Spanier essen ihre Tomaten entweder selbst oder verarbeiten sie direkt weiter, zu Pastasauce oder Dosentomaten. Von den Tomaten, die in den Niederlanden produziert werden, werden hingegen 90 Prozent frisch exportiert – die Hälfte nach Deutschland, gefolgt von England. Obwohl die Tomate in den Niederlanden auf natürliche Weg kaum gedeihen würde, sind die Holländer zusammen mit den Mexikanern Tomatenexportweltmeister. Dabei werden ein Drittel der Tomaten, die die Niederlande exportiert, vorher importiert.Das mag sinnlos scheinen. Aber denn je häufiger man eine Tomate umpackt, desto mehr Geld verdient man an ihr. Die Tomaten kommen zum Beispiel aus Spanien nach Rotterdam, werden umgepackt und dann nach Deutschland, nach Rumänien oder sogar zurück nach Spanien zurück geschickt. Und mit jedem erneuten Putz- oder Verpackungsvorgang, schlagen die Tomatenhändler neue Gewinnmarge drauf.

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