
Ein Situationsbericht aus dem Kanton Schwyz von Irene Herzog-Feusi, Präsidentin Bürgerforum der Gemeinde Freienbach SZ.
Die schweizerische Gesetzgebung gewährleistet den Schutz der Quellen und des Grundwassers vor schädlichen Einwirkungen. Doch in der Praxis stehen die Wasserrechte vieler Bauern – und der Schutz des Grundwassers – heute massiv UNDER ATTACK. Das BLW ist gefordert.
1. Verfahrenspoker: Öffentliches Recht versus Zivilrecht[1]
Um öffentlich-rechtliche Sanktionen zu umgehen, werden heute bei gesetzes- und verordnungswidrigem Handeln oft die Bestimmungen des ZGB gegen die Geschädigten ausgespielt. Besonders wenn es um die Interessen grosser Player aus der Bauwirtschaft geht, reden Behörden und Ämter die Nicht-Einhaltung von Konzessionen und das Abgraben und Gefährden von Grundwasser klein, behandeln die Vorgänge als Geheimsache und schlagen sich unverhohlen auf die Seite der Verursacher.
Diverse Fälle im Kt. SZ zeigen, dass die zuständigen Instanzen mit den betroffenen Bauern in geradezu mittelalterlicher Manier Schach spielen.
Anstatt von Amtes wegen einzuschreiten, wenn ihnen XXL-Gewässerschutzverletzungen angezeigt werden, verweisen die verant-wortlichen Behörden die Geschädigten systematisch auf zivilrechtliche Klageverfahren. Man pokert damit, dass die viel höheren Kostenvor-schüsse einschüchtern und oft gar nicht erbracht werden können. Unter exzessivem Beizug von Anwälten (auf Staatskosten), wenden kommunale und kantonale Behörden Verfahrenstricks an und verletzen die ihnen obliegende pflichtgemässe, rechtsstaatliche Anwendung der Gesetze und Reglemente (vgl. hierzu Pkt. 4).

2. Neue Inventarisierung zur Unterwanderung privater Wasserrechte
Durch die Schaffung neuer, selektiver Inventarisierungen – als Versuche deklariert – werden jahrhundertealte Wasserrechte, welche eine wesentliche Existenzgrundlage vieler Bauernbetriebe bilden, sukzessive unterminiert. Man erfasst nur grosse Wasserversorgungs-Einheiten und -Konzessionäre, kleinräumige, autarke Einheiten werden nicht mehr aufgeführt.
Solche Instrumente segeln unter falscher Flagge; zielen letztlich auf die Privatisierung der Wasserrechte zugunsten des Big Business, nennen als Ziel aber irreführend „Effizienzsteigerung“ und „ökonomische Optimierung“ der Wasserversorgung „im öffentlichen Interesse“.
Ein entsprechender Versuch findet ausgerechnet in den zwei Ausserschwyzer Bezirken March und Höfe statt, die bereits über gut funktionierende Verbünde und hochmoderne Anlagen verfügen [2]
Die überfällige, pflichtgemässe Aktualisierung des umfassenden Wasserversorgungsatlas‘ wird hingegen „aus Spargründen“ auf später verschoben.
Verbindliche Auskunft über die Absichten der „neuen Wasserrechtsgesetzgebung“ wird nicht erteilt. Alles stehe erst später zur Diskussion.
Effektiv wird die Neu-Inventarisierung den Überblick mangels Vergleichsmöglichkeiten massiv erschweren. Die Folge solcher Vehikel: Bürokratie-Aufblähung, absehbare, teure Planungsleichen, Privatisierung der Wasserrechte und damit Verteuerung des Wassers, Verschärfung des bäuerlichen Betriebssterbens und damit eine langfristige, gravierende Beeinträchtigung der Nahrungsmittelversorgung.
Das BLW ist gefordert, diese Vorgänge offen zu thematisieren, die schwerwiegenden Konsequenzen für die Landwirtschaft aufzuzeigen und Korrekturmassnahmen zu unterstützen.

3. Faktische Enteignung der Bauern beim Zwang zum Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung
Wenn unter Verletzung des Gewässerschutzgesetzes das Wasser abge-graben wurde, argumentieren AfU und kommunale/kantonale Bewilligungsbehörden im Rahmen öffentlich-rechtlicher Beschwerdeverfahren generell, als Gegenleistung sei der Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung „zumutbar, angemessen und verhältnismässig“.
Sie verlangen von den Verursachern / Zustandsstörern lediglich das Erstellen einer Wasserleitung bis zum geschädigten Betrieb, jedoch keinen Realersatz und sprechen auch keine Bussen aus. Strafrechtlich relevante Sachverhalte werden trotz Anzeigen nicht untersucht.
Der behördlich als genügende „Lösung“ behauptete Anschluss an ein öf-fentliches Wasserversorgungsnetz bedeutet für betroffene Betriebe, dass das nun fehlende Wasser eingekauft werden muss. Über die Jahrzehnte ergeben sich daraus Mehrkosten in Millionenhöhe. Wasser, das landwirtschaftlichen Betrieben bisher als Bestandteil des Grundeigentums kostenlos zur Verfügung stand, wird auf diese Weise durch Fremdverschulden faktisch enteignet.
Schreiten aber die Aufsichtsorgane nicht öffentlich-rechtlich gegen die offenkundigen und beweisbaren Verletzungen der Gewässerschutzgesetze ein, bestehen für die Bauern kaum Chancen auf vollumfänglichen Schadenersatz. Dadurch verteuert sich die landwirtschaftliche Produktion und viele Landwirte werden so zur Betriebsschliessung gezwungen.
Die behördliche Mitverantwortung beim Zerstören privater Wasserrechte ist evident. Vetternwirtschaft und Amtseid-Verletzungen führen zu nicht wiedergutzumachenden Nachteilen zulasten der Bauern – und damit auch zulasten des öffentlichen Interesses, auch wenn dies von den Behörden und Ämtern immer wieder bestritten wird.
4. Behördlicher Täterschutz, fehlende Sanktionen gegen Verursacher von Grundwasserschutzverletzungen
Auch wenn die Geschädigten lediglich ihre wohlerworbenen Rechte und die Einhaltung der Gesetze einfordern, werden sie, wie im konkreten Fall Tuggen (vgl. Pkt.5) von Behörden und Tätern in unverhohlener Übereinstimmung und aktiv an der Aufklärung und Wahrung ihrer Interessen behindert.
Umfassend dokumentierte Klagen werden ignoriert, pauschal als unberechtigt abgekanzelt, unter Verletzung des rechtlichen Gehörs inhaltlich nicht behandelt, die Beschwerdeführer werden desavouiert und mit oft rein willkürlichen Gebühren und hohen Verfahrenskosten abgestraft.
Fortgesetzte, aktive Beihilfe zur Verletzung des Grundwassers und privater Wasserrechte durch Ämter und Behörden findet statt:
- durch Zonenplanung ohne genügende Berücksichtigung der Wasserrechte und des Gewässerschutzes
- durch laissez-faire-Bewilligungspraxis für Bauten im Grundwasser
- durch „Probieren-Lassen“ bei Baubewilligungen unter dem Motto: wenn niemand Einsprache erhebt, entdecken die zu-ständigen Ämter und Behörden keine Gewässerschutz- oder andere Rechtsverletzungen „nur von Amtes wegen“
- durch Kabinettspolitik, insbesondere fehlenden Einbezug / fehlende offene Information der privaten Quell- und Brun-nenbesitzer in Vernehmlassungs- und Mitwirkungsverfahren bei Änderungen der Inventare und Wasserrechtsgesetzgebung
- durch Aberkennung von Wasserrechten infolge „fehlender Schutzzonen-Ausscheidung“ (eine solche ist generell nicht mehr möglich, wenn schon relevante Nutzungen im Ein-strömbereich von tiefer liegenden Quellen und Grundwasservorkommen erlaubt und getätigt wurden (z.B. Kiesgruben und Deponien im Gewässerschutzbereich Au etc.)
- durch das Aufschieben verbindlicher Regelungen zur Entsor-gung von Altlasten auf später, d.h. so lange, bis die Verjäh-rungsfrist erreicht ist und die öffentliche Hand alle Kosten übernehmen muss
- durch Gewährung eines weitreichenden Autonomiestatus an Konzessionäre, Genossamen und Korporationen, wodurch die Prüfung der Rechtmässigkeit von Entscheiden massiv er-schwert wird
- durch gezielten Beizug befangener Experten und Rechtsbe-rater bei kommunalen und kantonalen Behörden und Äm-tern
- durch Tolerieren ungenügender Kontrollberichte Dritter (z.B. FSKB, Verband der Schweizer Kies und Betonwirtschaft), welche auftrags des kant. Amtes für Umweltschutz die jähr-lichen Untersuchungen durchführen
- durch frappant lückenhafte Aktenbestände im AfU
- durch die Weigerung, bei Anzeigen von Gewässerschutzver-letzungen Proben vor Ort zu entnehmen, welche speditive und unverfälschte Beweisaufnahmen ermöglichen würden (vielmehr der Verweis darauf, dass rein theoretische Berechnungen und Vergleiche genügten (vgl. Pkt.5)
Das BLW ist gefordert, zusammen mit dem BAFU auf eidgenössischer Ebene griffige Korrektur-Massnahmen zu entwickeln und für deren Umsetzung zu sorgen:
- Das öffentliche Interesse am Grundwasser-schutz muss höher gewichtet werden, als das Interesse an Kiesabbau, Deponien und Bauten im Grundwasserschutzgebiet
- Die Auslagerung von Kontroll-Aufgaben der Umweltschutzämter an Interessenverbände muss unterbunden werden
- Die Einhaltung der kantonalen und kommunalen Vorschriften, sowie der Auflagen in Kon-zessionsverträgen muss transparent und von unabhängiger Seite kontrolliert und in öffentlich-rechtlichen Verfahren sanktioniert werden
5. Konkretes Beispiel in Tuggen SZ
In der Kiesabbau- und Deponiezone SAD Girendorf am Buechberg, Gemeinde Tuggen, wird (basierend auf einer Konzession aus dem Jahre 1976) im Grundwassergebiet Au Material abgebaut, und die Auffüllung mit Deponiestoffen steht bevor. Talwärts (unterstrom) befinden sich private Wasserfassungen der Bauern S. und die einzige Wasserfassung der Gemeinde Tuggen („Höpferen“), die ca. einen Viertel des Gemeindebedarfs deckt.
Die Bauern beklagen eine Beeinträchtigung ihres Wassers durch den Betrieb in der SAD-Zone Girendorf und machen massive Verletzungen der Konzessionsbestimmungen geltend. Diese verlangen u.a., dass eine 5 Meter dicke Kiesschicht zum Schutz des Grundwassers erhalten bleiben müsste. Diese Schutzschicht fehlt offensichtlich, was auch umfassend dokumentiert ist: Schlammweiher und aus den Kieswänden austretendes Wasser beweisen die Konzessionsverletzung vor Ort. Unbewilligte Zwischendeponien verschlammen den Kiesgruben-Untergrund und führen zu Grundwasserverschmutzungen. Weder die erforderlichen Entwässerungsleitungen, noch die verlangte schonende Auffüllung sind erfolgt.
Es muss mit nicht mehr rückgängig zu machenden Schädigungen des Grundwassers und der Brunnen/ Wasserfassungen gerechnet werden.
Die Betreiberin, der Gemeinderat, das AfU und der Regierungsrat bestreiten jegliche konzessionswidrige Bautätigkeit. Sie verweisen auf rein theoretische Berechnungen und Kontrollberichte des FSKB (Verband der Schweizerischen Kies- und Betonwirtschaft). Unisono verweigern sie die Herausgabe der geforderten konkreten Beweise für die (nur behauptete) Einhaltung der Konzession.
Drei Verfahren sind hängig[3]. Die kommunalen und kantonalen Instanzen wiesen bisher alle Verfahren ab und ignorierten sämtliche Beweise.

Fussnoten
[1] ZGB: Werden Quellen, die zum Zwecke der Verwertung gefasst worden sind, zum Nachteil des Eigentümers oder Nutzungsberechtigten durch Bauten, Anlagen oder Vorkehrungen anderer Art abgegraben, beeinträchtigt oder verunreinigt, so kann dafür Schadenersatz verlangt werden (Art. 706 Abs. 1 ZGB).
Werden Quellen, die für die Bewirtschaftung oder Bewohnung eines Grundstücks oder für Trinkwasserversorgungen unentbehrlich sind, abgegraben oder verunreinigt, so kann, soweit überhaupt möglich, nach Art. 707 Abs. 1 ZGB die Wiederherstellung des früheren Zustandes verlangt werden.
[2] Vgl. Anhang 1: Kleine Anfrage KR René Bünter, 25.5.2014,“Kantonale Wasserversorgung ohne gesetzliche Grundlage“, Antwort des Regierungsrates des Kt.SZ vom 24.6.2014 , Medienmitteilungen
[3] A) Zonenplanrevision
Die Bauern S. verlangen die Rückzonung desjenigen Teils der SAD-Zone, in welchem noch kein Materialabbau erfolgt ist. Von dort strömt das Wasser direkt in Richtung ihrer Wasserfassungen. Das noch verbliebene, unbeeinträchtigte Grundwasser soll sowohl für den Erhalt der öffentlichen Wasserversorgung „Höpferen“, als auch für die Beibehaltung der privaten Wasserversorgung der Bauern S. geschützt und erhalten bleiben. Es ist durch weiteren Kiesabbau und die Auffüllung mit Deponiestoffen hoch gefährdet. Der Gemeinderat hat das Auszonungsbegehren abgelehnt. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid ist beim Regierungsrat hängig.
B)Baustopp
Zur Beweisabnahme vor Ort verlangen die Bauern S. einen Baustopp. Dieser wurde vom Gemeinderat und Regierungsrat abgelehnt. Das AfU sieht keinen Handlungsbedarf. Dagegen legen die Bauern S. aktuell beim Verwaltungsgericht des Kt.SZ Berufung ein.
C) Aufsichtsbeschwerde
Der Regierungsrat wurde durch die Bauern S. am 30.9.2013 ersucht, von Amtes wegen die angezeigten Konzessionsverletzungen und allfällige strafrechtlich relevante Vorkommnisse zu untersuchen. Diese Untersuchung wurde bis heute nicht anhand genommen. Begründung: keine Veranlassung, solange die anderen Verfahren laufen.
Weiterführende Links:
Wasser und Landwirtschaft >>> Vortrag von Prof.Dr.B.Lehmann, Direktor BLW, am 4. Berner Wassertag, 2012



