Was bei allen Pestiziden eintraf, die Resistenz der angepeilten Insekten, Unkräuter und Schädlinge, gegen die chemischen Hilfsstoffe, hat nun auch die modernen Herbizide erreicht. Seit den 60er Jahren, als die systemisch wirkenden Pestizide aufkamen, werden laufend neue Wirkstoffkombinationen erfunden und eingesetzt. Mit Erfolg wenigstens in den ersten Jahren, werden auch züchterisch Resistenzen gegen Schädlinge und Krankheiten erreicht. Sowohl Krankheiten, Schädlinge wie auch Unkräuter treten aber immer nur dort auf, wo das Milieu ihnen besser entspricht als den Kulturpflanzen. Wird das destruktive Milieu nicht geändert, so mutieren alle Schädlinge und auch Unkräuter selbständig zu neuen Pestizid resistenten Formen.
Das Urbedürfnis der Erde
Erde will immer bedeckt sein. Wo die Gletscher zurück gehen, erscheinen Pionierpflanzen um den Boden für nachfolgende andere Pflanzen vorzubereiten. Jeder Kiesplatz, jeder Steinblock wird zuerst von Flechten, anschliessend von Moos und dann von Sträuchern überzogen, mit dem einzigen Ziel Humus aufzubauen. Mit diesem Vorgang wird der Erde auch ein Gasaustausch, eine Atmung ermöglicht. Jeder mm Humus bindet zu seinem Aufbau viel CO2 aus der Atmosphäre, und langsam sich entwickelnde Bakterien wie Azotobakter, binden Stickstoff aus der Luft in die Erde. Boden mit einem ausgeglichenen Milieu zieht nicht nur keine Schädlinge und Unkräuter an, er kann sogar als Entsorger der Abgase aus Verbrennungsprozessen in Industrie und Verkehr wirken. Werden diese Urbedürfnisse ignoriert oder gar verhindert wechselt Erde vom Entsorger der Industrie Gesellschaften durch Ausstoss von CO2 und Lachgas in die Atmosphäre, zum Belaster des Klima.
Wir werden sie nicht los- die Geister die wir riefen.
Justus von Liebig, der Erfinder der mechanistischen Pflanzenernährungstheorie, hat in seinem Testament geschrieben: „Ich glaubte eine fehlerhafte Schöpfung korrigieren zu müssen, und habe nur Verwirrung und Disharmonie erreicht. Das Einzige wirklich korrigierende System ist Kompost.
Die Komposttheorie hat sich im Laufe der Geschichte mehrmals geändert. Vom Walmen der um geschaufelt wird, bis zum Flächenkompost analog dem Waldboden, dessen Umwandlung von organischem Material zu Humus ein Dauerzustand ist. Bis ca 1960 war es gar nicht möglich, mit vernünftigem Aufwand die Äcker unkrautfrei zu halten. Das heisst zwischen den Reihen von Getreide, Mais, Kartoffeln, u.s.w. war immer eine untergeordnete Bewachsung vorhanden. Damit hatten die Bodenbakterien fast durchgängig ihren Schutz vor Witterungseinflüssen. Sie hatten immer organische Substanz zu verdauen und dem ständig durchwurzelten Boden war der notwendige Gasaustausch mit der Atmosphäre möglich.
Dann kamen die wunderbaren Herbizide wie helfende Geister. Attrazin wurde zwar später verboten, aber Glyphosat löste die Aufgabe ja noch besser. In Deutschland wird aber bereits auch über ein Verbot von Glyphosat debattiert. Dann kamen die starken Traktoren mit den tief wirkenden Pflügen und den zapfwellen getriebenen Bodenfräsen. Tief gelockert und fein „gemahlen“ soll das Saatbeet sein. Der Irrweg dieser Technik wurde erkannt. Minimal Bodenbearbeitung heisst die neue Devise, und die neueste Studie der UNI Zürich zeigt auch auf, wie wichtig der Ersatz von Monokulturen durch Pflanzengemeinschaften für die Stabilität der Böden ist. Nur beim sog. Pflanzenschutz glaubt man immer noch an die erlösende Wirkung jener Geister, welche die Symptome einer falsch verstandenen Hilfe ausrotten.
Ist die Agrarforschung befangen?
Jede Forschungsinstitution möchte d a s Kompetenzzentrum sein. ART war in den 80er Jahren führend mit seinen Versuchen von Untersaaten in Mais und Getreide. Während sich die Begrünung im Rebbau durchgesetzt hat und zu einer Gesundung der Rebberge geführt hat, findet man kaum mehr Boden deckende Untersaaten in Mais. Die verschlämmten, von Erosion bedrohten und nicht mehr atmenden Äcker sind unübersehbar im Vormarsch. Fordergründig will ART vermehrt Pflanzenbau zusammen mit Umwelt und Gesundheit erforschen. Die Titel der Forschungsprogramme werden neuen Vorstellungen angepasst, die Forschungsinhalte bleiben aber immer noch überwiegend dominiert vom Bedürfnis, durch helfende „Geister“, (Hilfsstoffe) die Spezifischen Prozesse zu beherrschen. Präzisionslandwirtschaft nennt sich jene Art der Kultivierung, die am weitesten weg von den Bedürfnissen der Erde laboriert, die aber der Paralandwirtschaft (Vorgelagerte Industrien) die höchsten Gewinne ermöglicht. Etwas sarkastisch gesagt wurde damit das Perpetum Mobile, das sich selber erhaltende Geschäft, entdeckt. Mit sog. Hilfsstoffen wird die von der Erde selbständig organisierte Gesundung des Milieus nicht als das erkannt und zerstört, um in einem nie endenden Prozess als unersetzlicher Helfer aufzutreten. Und dies alles „im Dienste der Landwirtschaft und Ernährung“. Der Agrarforschung deshalb Vorwürfe zu machen wäre völlig fehl am Platz, solange sie sich nach den Bedürfnissen ihrer Sponsoren richten muss. ART müsste sich seiner Kompetenz der 80er Jahre erinnern und den Wissenstransfer mit unabhängigen Forschern, aber auch Bauern intensiver pflegen. Ein Überleben von ART ist nur mit privatem Sponsoring möglich. Und privates Sponsoring spielt nur dort, wo anschliessend durch Patente auf „Hilfsstoffen“ Gewinne eingefahren werden können. Forschungserkenntnisse welche die Ursachen von Problemen an der Wurzel erkennen und eliminieren helfen, helfen nur den Bauern, den KonsumentInnen und am aller meisten der Erde und dem Klima. Solange aber das Wachstum des Bip (Brutto Inland Sozialprodukt) der einzig mass gebende Lenkungsfaktor bleibt so darf natürlich eine wirklich Kosten senkende Problemlösung nicht aufkommen. Das BLW ist aber mehr der Natur und der Gesundheit von Boden, Pflanzen und Menschen / Tieren als dem Bip Wachstum verpflichtet. Seine Strategie muss umfassend und ganzheitlich sein.
Ein Silberstreifen zeigt sich am Horizont

Bodenbiodiversität und das Funktionieren landwirtscahftlicher Ökosysteme: Entwicklung der Grundlagen für wissensbasierte politische Entscheidungen
Mit dem Weltagrarbericht haben unzählige Wissenschafter aus der ganzen Welt aufgezeigt, dass die Lösung des Hungerproblems nicht durch Präzisionslandwirtschaft, sondern durch Eingehen auf die natürlichen Bedürfnisse der Erde gelöst werden kann. Ermunternde Ansätze zeigen sich auch bei der Universität Zürich, welche mit Forschungen über Bodenpilze und neuerdings über den Einfluss von Dünger auf Fruchtbarkeit und Stabilität der Böden aus wissenschaftlicher Sicht neue Schwerpunkte und eine erfreuliche Kompetenz setzt. Ich hoffe noch zu erleben, dass auch Agroscop ART CH vom Bundesamt für Landwirtschaft für die Forschung eine ähnliche Freiheit zugestanden wird wie der UNI Zürich. Nur so können sowohl ART, wie auch BLW ihren Anspruch auf d a s Kompetenzzentrum in Forschungsfragen auf Dauer mit Erfolg verteidigen. Das Resistenzproblem dadurch zu lösen, dass neue, breiter und stärker wirkende Wirkstoffkombinationen erforscht werden ist nicht nur nutzlos, es verstärkt die Grundprobleme in einer Art, wie sie beim heutigen Wissenstand nicht nötig wäre.
Weiterführende Links:
- European Atlas of Soil Biodiversity >>>
- Soil, Climate Change and Biodiversity – Where do we stand? Konferenz (2010) Powerpoints, auch von Katarina Hedlund (Soil ecosystem services and farmers economy), Philippe Ciais (Agricultural practices that favour the increase of soil organic matter), Karl Ritz (The biological engine of the earth: the functional role of soil biodiversity)
- Universität Zürich, Ökologie und Umwelt – Bodenbiodiversität und das Funktionieren von Ökosystemen >>>
- Ernst Frischknecht: Biogasanlagen sollen im Biolandbau nicht zugelassen werden? >>>
- Ernst Frischknecht: Krebs ist in den Entwicklungsländern stark im Vormarsch >>>



