2012 veröffentlichte Greenpeace, dass etwa 80 Prozent des konventionellen Obstes mit Pestiziden belastet ist. Früchte aus der Türkei und Übersee werden mit weit mehr Spritzmitteln behandelt als Lebensmittel aus der Europäischen Union (EU). So stellte man bespielsweise bei einer Probe türkischer Trauben 24 (!) verschiedene Pflanzenschutzmittel fest.
Aber was sind eigentlich Pestizide? Pestizide ist der Sammelbegriff für chemische Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmittel, die auch etwas beschönigend als Pflanzenschutzmittel bezeichnet werden. Folgende Unterscheidung wird gemacht:
– Herbizide (unerwünschte Beikräuter)
– Insektizide (unerwünschte Insekten)
– Fungizide (Pilzkrankheiten)
– Arkazide (Milben)
– Nematozide (Fadenwürmer)
– Molluskizzide (Schnecken)
Hier geht’s zum Pflanzenschutzmittelverzeichnis des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW).
Hohe Anforderungen der Konsumenten. Der Konsument erwartet einwandfreies und gesundes Obst und Gemüse – jedes Wurmlöchlein verdirbt den Genuss. Deshalb spritzen Bauern verschiedenste Pflanzenschutzmittel, all diese Pestizide sollen Insekten und Pilze abtöten.
Ein Beispiel: Migros & Co. toleriert bei Äpfeln oder Kartoffeln seit Jahren keine Schorfflecken mehr, obwohl es sich dabei nur um ein ästhetisches Problem handelt. Konsumentinnen und Konsumenten akzeptierten keinen Silberschorf auf den Kartoffeln, zitierte die Bauernzeitung kürzlich dazu den Migros-Mediensprecher (PDF Seite 11). Da bleibt dem Bauern nicht viel anderes übrig, als den entsprechenden Wirkstoff gegen den Pilz oder Schädling einzusetzen. Denn das Risiko trägt er selbst: niemand bezahlt ihm etwas, wenn er die Ware nicht verkaufen kann.
Mehrfachrückstände. Von Mehrfachrückständen spricht man, wenn Rückstände von mehr als einem Pflanzenschutzmittel in einem Lebensmittel nachweisbar sind.
Die gegenwärtige Risikobewertung betrachtet nur jeden Stoff für sich. In manchen Lebensmittelproben werden aber über 20 verschiedene Pestizide festgestellt. Mit jeder Mahlzeit nehmen wir also einen ganzen Giftcocktail von Pestiziden zu uns.
Gesundheit. In Zusammenarbeit mit den Forschungsanstalten legt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sichere Grenz- und Toleranzwerte für Pestizide fest. Diese Grenzwerte beziehen sich jedoch nur auf das einzelne Pflanzenschutzmittel. Aber Bauern spritzen meist nicht nur ein Pestizid, sondern gleich mehrere. Das heisst, in der einzelnen Frucht können sich Rückstände von mehreren Pflanzensschutzmitteln ansammeln. Welche Auswirkungen diese Giftcocktails auf die Gesundheit der Menschen haben, ist derzeit allerdings noch unklar. Die EU hat dieses Problem erkannt – das BAG hingegen untersucht die mögliche Gesundheitsgefahr von Mehrfachrückständen noch nicht.
Dennoch, viele der über 350 in unseren Lebensmitteln entdeckten Pestiziden stehen im Verdacht krebserregend zu sein, das Hormonsystem zu stören oder das Erbgut zu schädigen resp. die Fortpflanzungsfähigkeit zu beeinträchtigen. Nitrat gilt ebenfalls als krebserregend, kann zu Durchblutungsstörungen führen und die Jodaufnahme der Schilddrüse behindern.
Auch die Annahme, dass ein Stoff in niedrigen Dosen ungefährlich ist, wenn er in hohen Dosen keine Wirkung zeigt, gilt es zu überdenken. Insbesondere hormonschädigende Stoffe können in niedrigen Dosen wirksamer sein als in höheren.
Weiterführende Links zu den Themen Gesundheit & Mehrfachrückstände:
Kassensturzsendung vom 22. Oktober 2013
Verbraucherzentrale Sachsen (D)
What’s on my food
Top 12 der am meisten kontaminierten Früchte & Gemüse
Umweltzerstörung durch Pestizide. Pestizide vergiften die Umwelt weltweit. Kein Ökosystem bleibt verschont. Die negativen Folgen zeigen sich vom Grundwasser bis hin zur Atmosphäre. Trotz der verabschiedeten Konvention zur biologischen Vielfalt von 1992 geht das Artensterben ungebremst weiter. Herbizide beseitigen Wildkräuter. Insektizide töten nicht nur Schädlinge sondern auch Nützlinge, etc.. Die Vergiftung unserer Lebensgrundlage ist stetig und schleichend.
Pflanzenschutz im Bio-Landbau. Im biologischen Landbau ist der Einsatz von chemisch-synthetischen Spritzmitteln verboten. Vorbeugende Massnahmen sind im Bio-Landbau von grosser Bedeutung, dazu gehören u.a. vielfältige Fruchtfolgen oder weniger krankheitsanfällige Sortenwahl, auch der Spezialisierungsgrad ist weitaus weniger ausgeprägt als in der konventionellen Landwirtschaft. Wenn vorbeugende Massnahmen und Nützlingsstrategien nichts mehr nützen, stehen auch Biobauern biologische Pflanzenschutzmittel zur Verfügung, welche eine toxische Wirkung haben. Neben Pflanzenextrakten wie Fenchelöl oder Schmierseife sind auch kupferhaltige Produkte zugelassen (Betriebsmittelliste FiBL).
Fazit: Bio-Lebensmittel einkaufen und
Obst und Gemüse waschen. An der Oberfläche haftende Pestizide lassen sich zumindest reduzieren, wenn man sie –
idealerweise mit lauwarmem Wasser – wäscht. Pestizide im Inneren der Frucht wird man auf diese Weise jedoch nicht los.
Schale entfernen. Wer Apfel oder Gurke vor dem Verzehr schält, wird den Grossteil der Pestizide los. Diese Methode hat aber einen gewichtigen Nachteil: Auch Vitamine und andere wertvolle Stoffe, die in hoher Konzentration in der Schale stecken, gehen verloren.
Saisonal und regional einkaufen. Ausserhalb der Saison in Gewächshäusern oder hors-sol angebaute Produkte weisen oft eine höhere Pestizidbelastung auf. Dasselbe gilt für aus südlichen Ländern importierte Ware.
Weitere Links zum Thema Pestizide:
Pesticide Action Network (PAN) Europe
PAN Swiss
Pan Germany
Weltagrarbericht
Neue Pestizide in Gemüse: Schleichende Vergiftung
Pestizide in aller Munde:
Endosulfan ist in der Schweiz und in weiteren 80 Ländern der Welt verboten inklusive der EU. Das Nervengift gilt als eines der giftigsten Pestizide überhaupt und wurde in den fünfziger Jahren von Hoechst entwickelt. Nun aber erlaubt die Schweiz wie auch die EU seit dem 1. Juli 2013 wieder zehnmal mehr Rückstände hormonaktiver Endosulfan wie bisher. Ein klarer Erfolg der norwegischen Zuchtlachs-Industrie. Und dies obwohl das Insektizid für hunderte Missbildungen und Erkrankungen in Südwestindien verantwortlich gemacht wird und zudem Schuld am grossen Fischsterben im Rhein im Juni 1969 gewesen sein soll. Endosulfan hat nicht nur eine toxische Wirkung auf Insekten, das Pestizid beeinflusst auch die Fortpflanzungsfähigkeit bei Menschen und die Entwicklung bei menschlichen Föten. Ein Krebsrisiko wird ebenfalls diskutiert. Seit 2011 steht das Pestizid auf der Liste der Stockholmer Konvention.
Neonikotinoide sind Nervengifte, sie werden vor allem in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt und gelten als hochwirksame, systemische Insektizide die auf das Nervensystem der Insekten wirken. Neonicotinoide werden von den Pflanzen systemisch aufgenommen, durchdringen sie komplett und gelangen so auch in Pollen und Nektar. Das macht diese Wirkstoffe so gefährlich. Auch für Säugetiere sind sie giftig. Diese Insektizide sind je nach Organismus x-fach giftiger als das berühmt-berüchtigte DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan). Neonicotinoide werden nicht punktuell, sondern häufig präventiv angewandt. Zudem behandelt die Agrochemie bereits das Saatgut mit Neonicotinoiden und beizt die Samen mit dem jeweils gewünschten Gift.
Neonicotinoide stehen auch im Verdacht am Bienensterben mitbeteiligt zu sein, aber auch Gewässerorganismen werden von Neonicotinoid-Insektiziden beeinträchtigt.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) ist ebenfalls zum Schluss gekommen, dass man die Risiken, die von den drei Neonicotinoiden Imidacloprid, Thiamethoxam und Clothianidin ausgehen, nicht weiter ignorieren kann. Darauf gestützt beschloss die EU, die Zulassung der Pestizide vorerst für zwei Jahre zu sistieren. Ein kleiner Erfolg, denn auch die Schweiz wird ab dem 1. Dezember 2013 diese drei Neonicotinoide wieder verbieten.
Glyphosat wurde 1950 in der Schweiz entwickelt, im Jahr 1974 brachte der Agrochemiekonzern Monsanto mit dem Produkt “Roundup” ein Totalherbizid auf den Markt, dessen Hauptwirkstoff Glyphosat inzwischen zum meinst verwendeten Pflanzenvernichtungsmittel der Welt aufgestiegen ist.
Eingesetzt werden Glyphosat und glyphosathaltige Produkte zur Vernichtung unerwünschter Pflanzen entlang des Schienennetzes, öffentlichen Flächen, wie Kindergärten, Schulen oder Parkanlagen, in privaten Gärten und vor allem in der Landwirtschaft.
Glyphosat gelangte in den letzten 10 Jahren zunehmend über die täglichen Nahrungsmittel wie Fleisch, Milchprodukte, Gemüse und Getreideprodukte in unsere Körper.
Gefahren. Schon in geringen Mengen schädigen Glyphosat die menschlichen Embryonal- und Plazentazellen sowie die DNA von Menschen und Tieren. In menschlichen Zellen kann “Roundup” innerhalb von 24 Stunden zum vollständigen Zelltod führen. Nachweislich tödlich ist “Roundup” vor allem auch für die Amphibien. Zudem bestehen bei Menschen und Tieren Zusammenhänge zwischen Glyphosat und Fehlbildungen/-geburten. Darüber hinaus weist eine neue Studie darauf hin, dass Glyphosat Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Krebs den Weg ebnen sowie zu Depressionen, Herzinfarkten und Unfruchtbarkeit führen könnte.
Nicht zuletzt hat Glyphosat hohe negative Auswirkungen auf die Bodenfruchtbarkeit und das Bodenleben. Hier gibt’s noch mehr zum Thema Glyphosat.
Lesen Sie weiter über Antibiotika und co im Artikel Unser täglich Gift Teil II >>>

