Neun Bilder mit Text eines Winterspaziergangs oberhalb Bivio, auf 2000 Metern über Meer.
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Der Text zu den Bildern am Ende des Beitrags.
Bivio, am Fuss des Maloia und des Julierpasses
In Bivio, am Fuss des Maloia und des Julierpasses, gab es früher hauptsächlich Pferde für den Transport über den Pass. Die Alp gehörte den Hoteliers, das Heu wurde für die Pferde gebraucht, Kühe gabs nur wenige. Man betrieb Dreistufenwirtschaft, im Winter wohnte niemand ausserhalb vom Dorf. Nur im Sommer kamen Hirte mit Veh aus dem Bergell. Ein bisschen Heu wurde gemacht und wenn das dann im Oktober-November verfüttert war, ging die ganze Gesellschaft wieder heim.
Erst vor knapp 100 Jahren entstanden Streusiedelungen. Auch die Grosseltern von Urs Giovanoli kamen nach dem ersten Weltkrieg aus dem Bergell hierher und blieben, zuerst als Pächter. Erst später konnten sie das Land kaufen.
Urs Giovanoli mit Besuchern aus Südafrika
Zu Hause in Delheim bei Stellenbosch produzieren sie Biowein und betreiben Agrotourismus. Sie interessieren sich, ob Urs hier ein kleines Chalet für Touristen machen könnte, oder „Schlaf im Stroh“ im Sommer? Natur und Kultur würde sich sicher gut vermarkten lassen… Aber der Hof hier ist kein kulturhistorisches Museum in den Bergen, es ist Leben. Und harte Arbeit.
Der Winter dauert von Oktober bis Mai
Mitte Aug ist der letzte Schnee weg obwohl, manchmal schneits auch im Sommer. Genug Wasser ist wichtig für die Natur und die eigene Quelle.
Früher hatte man Nachbarn, die mit der Arbeit vertraut waren und wenn nötig helfen konnten. Heute wohnt niemand mehr in direkter Nähe und im Dorf sind viele “wie Stadtmenschen, wissen nicht mehr, was eine Kuh ist“. Bivio ist klein. Früher hatte es noch eine Schule. Heute fahren die Kinder jeden Tag nach Savognin.
Schweizer Original Braunvieh
Schweizer Original Braunvieh sei die stärkste Rasse für die Berge: sie sind nicht sehr schwer, sehr berggängig, nicht wehleidig, geben bis 20lt Milch pro Tag und viel Fleisch. Eine klassische „Zweinutzungsrasse“. Die “Brown Swiss ” ist eine daraus hervorgegangene (Amerikanische) Milchkuhrasse. Oft wurden Original Braunkühe mit Brown-Swiss eingekreuzt um die Milchleistung zu erhöhen.
Geraline ist 17 jährig
Geraline ist 17 jährig. Ihr jüngstes Kalb wurde im September letzten Jahres geboren. Im Anbindestall hat sie ihre Ruhe. Links und rechts von ihr je eine Tochter. Die Kühe sind sehr zutraulich. 6 bis 7 Milchkühe sind hier auf dem Hof, der Rest ist Jungvieh. Wenn die jungen Kühe zum ersten mal trächtig sind werden sie verkauft, hauptsächlich in die Zentralschweiz.
Die Kühe werden gemolken und die Milch den Kälbern gegeben
6 Monate müssen die Kälber mindestens Milch erhalten. Hier trinken sie Milch bis sie im Juni von den Müttern getrennt auf die Alp gehen. Für einen Stier fehlt der Platz, die Kühe werden, wie auf den meisten Höfen, künstlich besamt. Für die Ziegen gibt’s einen Bock.
Die Alp ist 1300ha gross
Bündner Alpen sind riesig, diese ist 1300ha gross. Viel davon ist Stein und Sumpf. Im Sommer kommen 300 Stück Jungvieh, also ein bis zwei jährige Rinder, von 30 verschiedenen Betrieben. Immer mehr seien scheu und nicht einfach zu hüten: „Früher bestimmte der Hirt, wo gegrast wird. Heute die Kuh. Es ist möglich, dass sie panikartig flieht, wenn Du sie wegtreiben willst. Viele haben Angst“, sagt unser Gastgeber, „weil sie im Stall praktisch nur Maschinen sehen. Vorne bringt der Traktor Futter, hinten holt der Automat den Mist.“ Auf der Alp gruppieren sich die Tiere hofmässig. Manchmal kommen sie zusammen, dann gehen sie wieder auseinander.
Der Hirt kontrolliert die Weide, zählt die Tiere, macht Zäune, schaut was gefährlich ist. Trotzdem stürzen jedes Jahr ein paar Tiere ab. Eines der Rinder im Stall trägt seine Hörner in einer Metallschiene: es hatte sich letzten Sommer verletzt und fast ein Horn verloren. Jetzt ist es “vergipst” und heilt. Wilde Tiere, hauptsächlich Wölfe, bedrohen zwar das Kleinvieh, aber Kühe sind nicht gefährdet.
Geissen können überall in die Felsen hoch
Früher hatte jeder Bauer ein paar Geissen, für Milch und Käse für den Eigengebrauch. Es gab keinen Laden, der Winter war lang und Gemüse und anderes was man heute für selbstverständlich nimmt gab es hier nicht. Man hat meistens Käse gegessen, Käse und Polenta. 2000 Meter über Meer sind zu hoch für Früchte und Gemüseanbau. Salat und Karotten sind möglich, aber für alles andere ist die Vegetationszeit zu kurz, das Klima zu kalt. Dafür gibts auf dieser Höhe gesundes, gutes Heu für Kühe!
Mutterkuhhaltung
„Mutterkuhhaltung“, sagt Urs, ist nicht ideal. Wenn das Kalb bei der Mutter trinkt, lässt sie sich nur schwierig melken. Der Kompromiss: die Kühe werden gemolken, die Kälber getränkt. So kann man, wenn die Kälber grösser werden und mehr Heu fressen als Milch trinken, Käse machen.
Die Idylle ist nicht wirtschaftlich
Mit dem Verkauf von Kühen und Käse zahlt der Landwirt zwar gewisse Grundkosten, aber “ohne Beiträge wäre es nicht machbar, wir sind 100% unterstützt vom Staat.“ Er bedauert, dass in der Presse nicht besser und mehr kommuniziert wird. Auch weil wenn die Unterstützung wegfällt und die Landwirtschaft aufgegeben wird, die Landschaftspflege noch viel teurer würde, und das ohne irgendetwas zu produzieren. Ein kulturhistorisches Museum in den Bergen, ohne Leben.











