Veröffentlichung: 26.10.11; Aktualisierung: 30.06.14
Die „Ernährungsökologie“ untersucht und bewertet die komplexen Beziehungen innerhalb des gesamten Ernährungssystems. Dieses System beinhaltet alle Teilbereiche von der landwirtschaftlichen Produktion der Lebensmittel über die Verarbeitung, Verpackung, Transport und Handel bis hin zum Verzehr und der Abfallentsorgung. Neben der Ernährungswissenschaft (Gesundheit und Individum) werden auch die Aspekte der Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft gleichwertig miteinbezogen[1].
Damit wird das gesamte Spektrum der Ernährung entlang der Produktekette (Erzeugung – Verarbeitung – Handel – Konsum – Entsorgung) mit eingeschlossen. Jeder Aspekt beinhaltet eine Vielzahl von Elementen, welche den Menschen und seine Ernährung beeinflussen.
Die dringende Notwendigkeit einer ganzheitlichen, vernetzenden Betrachtungsweise wird immer wieder deutlich bei tiefgreifenden Krisen im gesamten Bereich der Nahrungsmittelproduktion, Lebensmittelverarbeitung und auch –vermarktung (z. Bs. BSE, Vogelgrippe, EHEC usw.).
Der Faktor Gesundheit beinhaltet Elemente der physischen und psychischen Befindlichkeit des Menschen, bezieht sich also auf jeden einzelnen Menschen, dementsprechend die individuelle Ebene. Dazu zählen sowohl die Wirkungen des Verzehrs von Lebensmitteln auf den menschlichen Organismus und die Qualität der für den Verzehr bestimmter Produkte als auch die Auswirkungen der Produktionsbedingungen auf die menschliche Gesundheit entlang der Produktekette, aber auch ernährungsabhängige Krankheiten,
Der ökologische Faktor betrifft die globale Umwelt und somit die Verantwortung für den natürlichen Lebensraum. Im Bereich Umwelt stehen somit Umweltauswirkungen der Ernährung im Fokus, wie z. Bs. CO2-Emission und die Reduzierung der Biodiversität durch die Produktion von Lebensmitteln sowie Einflüsse aus der Umwelt auf die Ernährung bzw. deren Produktion (Klima, Luftschadstoffe).
Ein erheblicher Teil der genannten Umweltprobleme innerhalb des Ernährungssystems resultiert aus der Art der Produktion, Verarbeitung, Vermarktung und Zubereitung unserer Lebensmittel sowie der Entsorgung der Verpackung und Abfällen.
Der soziale Faktor umfasst politische, kulturelle, sozio-ökonomische und ethische Aspekte der Ernährung und bezieht sich somit auf die Verantwortung für unsere Mitmenschen, weltweit. Im Bereich Gesellschaft ist die Sicherung humaner Lebensbedingungen für alle Menschen wesentlich. Dazu gehören u.a. Verfügbarkeit und Zugang zu Nahrungsmitteln, humane Arbeitsbedingungen und Einkommenssicherheit.
Beim ökonomischen Faktor geht es um die Ebene der Wirtschaft mit all den eng verflochtenen Prozessen, wie Angebot und Nachfrage, Produktionskosten entlang der gesamten Produktekette, aber auch der Vernetzung zwischen gesundheitlichen und ökonomischen Aspekten der Ernährung. Die mittlerweile sehr hohen Kosten für ernährungsabhängige Krankheiten stellen (neben der Belastung für die Betroffenen) einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar.
Eine Möglichkeit, die mit der Ernährung im Zusammenhang stehenden Probleme zu reduzieren, besteht darin, vorhandenes Wissen in der Alltagspraxis zu nutzen[2].
Sieben Grundsätze für eine nachhaltige und zukunftsfähige Ernährung[3]
1. Bevorzugung pflanzlicher Lebensmittel
Gesundheit: Pflanzen weisen in der Regel ein günstiges Verhältnis von lebensnotwendigen Nährstoffen zur Nahrungsenergie auf (hohe Nährstoffdichte).
Umwelt: Der Beitrag eines Menschen zu den Treibhausgas-Emissionen hängt stark von der Menge verzehrter tierischer Lebensmittel ab. Je weniger der Verzehr, desto weniger CO2-Äquivalente werden produziert.
Gesellschaft: Ein geringerer Verzehr tierischer Lebensmittel bzw. deren geringere Erzeugung kann zu einer Verminderung der Importe von Futtermitteln aus armen Ländern führen, die dort als Nahrung dienen könnten (Sojabohnen, Getreide, Mais).
Wirtschaft: Eine pflanzlich ausgerichtete Ernährungsweise ist im Durchschnitt für den Verbraucher mit weniger Kosten verbunden als die übliche fleischreiche Ernährung.
2. Ökologisch produzierte Lebensmittel
Gesundheit: Ökologisch produzierte Lebensmittel weisen in der Regel einen höheren Gehalt an einigen Nährstoffen wie Vitamin C und sekundären Pflanzenstoffen auf[4]. Ferner sind geringere oder keine Rückstände von Pestiziden, Antibiotika usw. enthalten.
Umwelt: Beim Kauf ökologischer Lebensmittel wird ein Beitrag zu einer umweltverträglichen Landwirtschaft geleistet, da keine Pestizide usw. angewendet werden und die damit verbundenen Umwelteffekte (u.a. Rückgang Biodiversität, Emissionen, Ressourcenverbrauch) vermindert werden[5].
Gesellschaft: Rein rechnerisch belegen Studien, dass die ökologische Landwirtschaft für die Ernährung der Weltbevölkerung ausreichend Nahrungsenergie zur Verfügung stellen kann[6].
Wirtschaft: In einem europäischen Vergleich zeigt sich, dass ökologisch wirtschaftende Betriebe im Durchschnitt erfolgreicher wirtschaften als konventionelle Betriebe[7].
3. Regionale und Saisonale Erzeugnisse
Gesundheit: Gemüse und Obst, das in der Region konsumiert wird, wo es wächst, kann voll ausreifen, da nur kurze Transportwege erforderlich sind und es entsprechend nicht vorzeitig in unreifem Zustand geerntet werden muss. Meist weisen diese Lebensmittel höhere Gehalte an essenziellen und gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen auf, Freilandprodukte beinhalten weniger Rückstände als Treibhauslebensmittel[8].
Umwelt: Durch den Konsum von regionalen und saisonalen Lebensmitteln können die mit dem hohen Transportaufkommen verbundenen Emissionen deutlich reduziert werden.
Gesellschaft: Der Konsum regionaler Lebensmittelprodukte schafft soziale Beziehungen zwischen Bauer, Verarbeiter oder Händler. Damit kann die Transparenz bezüglich Lebensmittel erhöht werden (Tierhaltung, Verarbeitung usw.).
Wirtschaft: Die regionale Lebensmittelproduktion unterstützt die lokale bäuerliche Landwirtschaft.
4. Gering verarbeitete Lebensmittel
Gesundheit: Für den allergrössten Teil unserer Lebensmittel ist der Verarbeitungsgrad bzw. der Grad der Naturbelassenheit ein geeigneter Massstab für dessen Gesundheitswert. Die Kernaussage von Werner Kollath in diesem Sinne war: „Lasst unsere Nahrung so natürlich wie möglich“.
Umwelt: Eine geringe Lebensmittelverarbeitung erfüllt wegen der weitgehend nicht getätigten Verarbeitungsschritte die ökologischen Forderungen nach einer Verminderung des Energieverbrauchs (u.a. Erhitzung/Tiefkühlung) sowie nach niedrigeren Emissionen (u.a. Klima).
Gesellschaft: Unverarbeitete Lebensmittel, welche zu einer Mahlzeit zubereitet werden müssen, fördern die Kochkompetenz und damit auch die Bindung zur Gemeinschaft (Familie, Schule).
Wirtschaft: Nicht oder gering verarbeitete Lebensmittel sind günstiger als stark verarbeitete Produkte und Fertigprodukte, dementsprechend entsteht ein ökonomischer Vorteil für den Verbraucher.
5. Umweltverträglich verpackte Lebensmittel
Umwelt: Lebensmittelverpackungen tragen erheblich zu unserem Abfallberg bei. Wenn Lebensmittel verpackt werden müssen, sollte dies möglichst in Mehrwegverpackungen erfolgen.
6. Fair gehandelte Lebensmittel
Gesundheit: Lebensmittel aus fairem Handel werden unter Auflagen zum Schutz (Pestizide etc.) der Landarbeiter produziert und damit erhalten auch die Konsumenten Lebensmittel mit weniger Schadstoffen.
Umwelt: FaireTrade beinhaltet bestimmte Umwelt-Mindeststandards, die im konventionellen Handel so nicht vorhanden sind. Ein grosser Teil der fair gehandelten Lebensmittel stammen aus ökologischer Produktion, der Umweltschutz hat somit einen hohen Stellenwert.
Gesellschaft: „Fair“ bedeutet im sozial-ethischen Sinne auch „gerecht“. Mit FairTrade wird versucht, einen Beitrag zu mehr (weltweiter) sozialer Gerechtigkeit zu leisten.
Wirtschaft: Der Faire Handel bietet eine reale Alternative für höhere Erlöse der Produkte, garantierte Abnahmemengen usw..
(7. Genussvolle und bekömmliche Lebensmittel)
Neben der Verantwortung für die eigene Gesundheit, der Solidarität mit anderen Menschen, der Verantwortung gegenüber der Umwelt und der Berücksichtigung ökonomischer Aspekte sollten Genuss und auch Bekömmlichkeit beim Essen nicht zu kurz kommen. Lebensfreude ist bei der Ernährung sehr wichtig und Voraussetzung für eine dauerhafte Umstellung oder Anpassung in Richtung nachhaltiger Essgewohnheiten. Die Grundlage genussvoller und bekömmlicher Speisen ist eine hohe Lebensqualität.
[1] Definition der Ernährungsökologie, v. Koerber, Männle, Letzmann 2004
[2] http://www.nachhaltigeernaehrung.de/Plattform-Ernaehrungsoekologie.20.0.html
[3] Grundsätze für eine nachhaltige Ernährung, nach v. Koerber et. al. 2004
[4] FiBL (Forschungsinstitut für biologischen Landbau): Qualität und Sicherheit von Bioprodukten. FiBL Dossier Nr. 4, Frick, 2006
[5] Stolze et al. 2000
[6] Halberg et al. 2005,
[7] Offermann und Nieberg 2004
[8] Grundsätze für eine nachhaltige Ernährung, nach v. Koerber et. al. 2004

